Einleitung
Dies ist ein Beitrag über den sexualisierten Blutrausch. Ich möchte der Frage nachgehen, inwiefern der Mord am Ende einer kriminellen Handlung ein Äquivalent zu einem Orgasmus ist, der seinerseits als Abschluss der Treibabfuhr im libidinösen Triebleben angesehen werden kann.
Dieser Beitrag wurde inspiriert von einer Dokumentation über Truman Capote’s Buch „Kaltblütig“.
Der Mord als Äquivalent zum Orgasmus
Die Verbindung zwischen Gewalt, Sexualität und Triebabfuhr ist ein faszinierendes und verstörendes Thema, das tief in den psychologischen und psychoanalytischen Theorien verankert ist. Insbesondere die Frage, ob der Mord in einem Zustand des Blutrauschs ein Äquivalent zu einem sexuellen Orgasmus darstellen kann, erfordert eine differenzierte Betrachtung von psychologischen, neurobiologischen und sozialen Aspekten.
Triebtheorie und das Konzept der Katharsis
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, postulierte, dass menschliches Verhalten von zwei Grundtrieben gesteuert wird: dem Lebenstrieb (Eros) und dem Todestrieb (Thanatos). Während Eros auf Schöpfung, Liebe und Sexualität abzielt, steht Thanatos für Aggression, Zerstörung und den Wunsch nach Auflösung. Im Kontext des sexualisierten Blutrauschs könnte der Mord als eine kathartische Handlung verstanden werden, die beide Triebe auf extremste Weise miteinander verbindet.
Die libidinöse Energie, die Freud als Teil des Lebenstriebs beschreibt, wird in diesem Zusammenhang nicht nur auf sexuelle, sondern auch auf aggressive Handlungen übertragen. Der Mord könnte als finale „Entladung“ dieser Energie interpretiert werden, die in einer Art „Orgasmus“ gipfelt – einem Höhepunkt, der mit intensiver emotionaler und körperlicher Befriedigung einhergeht, gefolgt von einem Gefühl der Erschöpfung oder Leere.
Neurobiologische Parallelen
Aus neurobiologischer Sicht gibt es Hinweise darauf, dass Gewalt und Sexualität ähnliche neuronale Schaltkreise aktivieren. Beide Handlungen führen zu einer Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin, das für das Gefühl von Belohnung und Lust verantwortlich ist. Besonders in Zuständen extremer Erregung – sei es durch sexuelle Aktivität oder aggressive Handlungen – können Menschen in einen tranceartigen Zustand geraten, der den Fokus auf die Handlung intensiviert und die Wahrnehmung von Schmerz oder moralischen Grenzen reduziert.
Studien zeigen, dass während aggressiver Handlungen das limbische System, insbesondere die Amygdala, stark aktiviert wird. Diese Region ist nicht nur für emotionale Reaktionen, sondern auch für die Verarbeitung von Lustempfinden zuständig. Dies könnte erklären, warum einige Täter ihre Gewaltphantasien mit sexueller Erregung verbinden und den Mord als einen Höhepunkt erleben, der sowohl physische als auch psychische Spannungen abbaut.
Psychologische Dynamik des sexualisierten Blutrauschs
Täter, die im Zustand des Blutrauschs morden, erleben häufig eine Mischung aus Macht, Kontrolle und Befriedigung. Der Mord wird nicht nur als Zerstörung des Lebens, sondern auch als eine Art symbolische Eroberung verstanden. In diesem Zusammenhang spielt die Vorstellung des „Orgasmus“ eine wichtige Rolle: Wie der sexuelle Höhepunkt markiert der Mord das Ende einer intensiven, triebgesteuerten Spannungskurve.
Viele Täter berichten von einer allmählichen Steigerung ihrer Erregung, die durch Rituale, Phantasien oder die Vorbereitung der Tat genährt wird. Diese Erregung findet ihren Höhepunkt in der eigentlichen Tat, die als Höhepunkt der Spannung und Triebabfuhr erlebt wird. Nach der Tat folgt oft ein Zustand der Erschöpfung, des Leeregefühls oder sogar der Reue, ähnlich wie beim „post-coital blues“.
Kulturelle und soziale Einflüsse
Die Verbindung von Gewalt und Sexualität wird auch durch kulturelle Narrative und Medien verstärkt. Serienmörder wie Ted Bundy oder Jack the Ripper werden oft als Beispiele für Täter herangezogen, die Gewalt und sexuelle Erregung eng miteinander verbinden. In vielen Fällen sind diese Handlungen nicht nur Ausdruck eines individuellen psychischen Zustands, sondern auch das Ergebnis gesellschaftlicher Tabus, die Gewalt und Sexualität miteinander verknüpfen und gleichzeitig als unvereinbar darstellen.
Therapeutische und forensische Relevanz
Das Verständnis des sexualisierten Blutrauschs hat wichtige Implikationen für die Therapie und forensische Psychologie. Täterprofile, die diese Verbindung erkennen, können dazu beitragen, Muster in der Kriminalität aufzudecken und Präventionsstrategien zu entwickeln. Gleichzeitig zeigt sich, wie wichtig es ist, die Triebe des Menschen – sei es nach Sexualität oder Aggression – in einem sicheren und sozial akzeptierten Rahmen auszuleben, um destruktive Handlungen zu vermeiden.
Zusammenfassung
Der Mord als Äquivalent zu einem Orgasmus im sexualisierten Blutrausch kann als Extremfall einer triebgesteuerten Handlung verstanden werden, die tief in der menschlichen Psyche verwurzelt ist. Durch die Kombination von neurobiologischen, psychoanalytischen und sozialen Perspektiven wird deutlich, wie Gewalt und Sexualität miteinander verschmelzen können, um eine kathartische Triebabfuhr zu ermöglichen. Ein solches Verständnis hilft nicht nur, diese Phänomene besser zu begreifen, sondern bietet auch Ansätze für Prävention und Intervention.
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