Einleitung
In diesem Beitrag geht es um unreife Formen von Sexualität bei Erwachsenen. Infantile Sexualität bezieht sich auf eine Form der Sexualität, die in ihrer Ausprägung oder in ihren Objekten an die kindliche Sexualität erinnert, bei der die einseitige passive Bedürfnisbefriedigung wie z.B. beim Gestillt-Werden im Vordergrund steht. Dies bedeutet, dass die sexuelle Entwicklung einer Person möglicherweise auf einer früheren Entwicklungsstufe stehen geblieben ist oder dass bestimmte sexuelle Impulse oder Wünsche, die normalerweise in der Kindheit auftreten, im Erwachsenenalter fortbestehen oder wieder dominant werden.
Merkmale von unreifer Sexualität
Infantile Sexualität bei Erwachsenen geht oft mit kindlicher Egozentrik und unreifen sexuellen Wünschen einher, die auf ein fehlendes oder unterentwickeltes Konzept von reifen, emotionalen, erwachsenen Beziehungen hinweisen.
Kindliche Egozentrik in der Sexualität Erwachsener
Kindliche Egozentrik beschreibt eine Entwicklungsphase, in der das Kind die Welt aus einer rein subjektiven Perspektive wahrnimmt. Das kleine Kind versteht nicht vollständig, dass andere Menschen separate Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse haben. Diese Egozentrik führt dazu, dass das Kind sich selbst als Zentrum der Welt betrachtet, was in seine zwischenmenschlichen Interaktionen und seine Vorstellung von Beziehungen einfließt. Menschen mit infantiler Sexualität werden alles, was um sie herum passiert unreflektiert auf sich selbst beziehen und damit eine latent paranoide Weltsicht haben.
Wenn diese egozentrische Perspektive für die Sexualität eines Erwachsenen bestimmend wird, kann sie zu einem stark selbstzentrierten bzw. egozentrischen sexuellen Erleben führen. In solchen Fällen könnte die Sexualität mehr auf unmittelbare selbstsüchtige Bedürfnisbefriedigung und auf Phantasien fokussiert sein, die wenig Raum für die Bedürfnisse und Gefühle eines Partners lassen. Diese Form von Sexualität bleibt daher emotional unreif, da sie nicht das Verständnis oder die Wertschätzung für gegenseitige, reife emotionale Beziehungen und Interaktionen beinhaltet.
Sexuelle Phantasien ohne reife emotionale Beziehung
Sexuelle Phantasien, die in ihrer Struktur und ihrem Inhalt stark an kindliche Vorstellungen angelehnt sind, spiegeln oft eine unentwickelte sexuelle Reife wider. Solche Phantasien können beispielsweise Szenarien beinhalten, in denen der Phantasierende in einer Machtposition ist, die an kindliche Träume von Allmacht und Kontrolle erinnert, oder in denen die Bedürfnisse des anderen Partners vollständig ignoriert werden.
Ein Mensch mit infantiler Sexualität könnte diese Phantasien als primäre Quelle sexueller Erregung erleben, ohne dass diese Phantasien in eine reife, emotional verbundene Beziehung eingebettet sind. Hierbei fehlt das Verständnis oder die Fähigkeit, eine echte emotionale und sexuelle Verbindung zu einem Partner zu entwickeln, die auf gegenseitigem Respekt, Empathie und emotionaler Intimität basiert.
Konzepte reifer emotionaler Beziehungen
Ein reifes Konzept von emotionaler Beziehungen beinhaltet das Verständnis von gegenseitiger emotionaler Unterstützung, Respekt, Liebe und dem Erkennen der Bedürfnisse des Partners. Dies würde auch ausreichend soziale Kompetenzen miteinschließen, Missverständnisse zu klären. Falls diese im Bereich der Kommunikation auftreten, sollte die Kompetenz zur Metakommunikation beidseitig vorhanden sein, um kommunikative Missverständnisse aufzuklären. Dabei geht es vor allem immer wieder um die Klärung der Differenz zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten.
Insofern Sexualität im Rahmen einer reifen emotionalen Beziehung als eine Form von meist nonverbaler Kommunikation verstanden werden muss, sollten in diesem Bereich auch alle sozialen Kompetenzen zur Klärung von kommunikativen Missverständnissen verwendet werden, die auch sonst im sozialen Umgang zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz dazu bleibt die infantile Sexualität auf einer Ebene, die dieses Verständigungsmöglichkeiten nicht erreicht. Eine Person kann auf eine Entwicklungsstufe fixiert sein, in der sexuelle Wünsche und Impulse noch stark kindlich und egozentrisch erlebt werden, was immer zu der Frage führen würde: “Werden meine Bedürfnisse vom anderen erfüllt oder übergangen?” Dies würde aber ausschließen, den jeweiligen Partner in seiner Eigengesetzlichkeit zu erkennen und zu verstehen und das interaktive soziale und auch sexuelle Handeln auf der Basis von Wechselwirkungen von Bedeutungen und Missverständnissen zu erleben. Solche Personen könnten Schwierigkeiten haben, die Bedeutungen hinsichtlich von Vielschichtigkeit und Komplexität emotionaler Intimität zu erkennen oder zu schätzen und könnten stattdessen nur Beziehungen eingehen, die eher auf oberflächliche Bestätigung ihrer simplen egozentrischer Bedürfnisse basieren.
Egozentrik verhindert komplexe Wahrnehmung von Interessengegensätzen
Der Zusammenhang zwischen infantiler Sexualität, kindlicher Egozentrik und unreifen sexuellen Phantasien führt zu einer Art von Sexualität, die nicht in der Lage ist, die volle emotionale Tiefe und die Komplexität einer erwachsenen, intimen Beziehung zu erfassen. Diese Menschen könnten sich in ihren sexuellen Erfahrungen und Phantasien auf einem primitiven Niveau einer egozentrischen Bedürfnisbefriedigung befinden, ohne den emotionalen Austausch oder die gegenseitige Bereicherung zu suchen, die eine entwickelte emotionale Beziehung charakterisieren.
Letztendlich kann dies zu Problemen in Beziehungen führen, insbesondere wenn die Erwartungshaltungen und emotionalen Bedürfnisse zwischen den Partnern stark divergieren und diese Divergenzen und Missverständnisse nicht hinreichen aufgeklärt werden können. Der Partner mit infantiler Sexualität könnte unbewusst eine Beziehung suchen, die eher einer Eltern-Kind-Dynamik oder einer egozentrischen, kontrollierten Situation ähnelt, anstatt einer gleichberechtigten Partnerschaft, die auf gegenseitiger emotionaler Reife und dem Ausgleich von Interessengegensätzen basiert. Hierzu bitte auch weiterlesen über Rivalisieren in symbiotischen Beziehungen.
Regressive Verhaltensweisen
Ein erwachsener Mann oder eine erwachsene Frau könnte sexuelle Präferenzen haben, die typisch für kindliche Entwicklungsstufen sind, wie z.B. das Interesse an Rollenspielen, die kindliche Szenarien nachahmen (z.B. „Daddy/Little Girl“- oder „Mommy/Little Boy“-Rollen). Diese Personen erleben Erregung durch Szenarien, in denen sie sich selbst als Kind sehen oder in denen ein Kind von Sexualität überwältigt wird.
Phantasien und Träume
Erwachsene mit kindlicher Sexualität könnten sexuelle Phantasien haben, die in starkem Maß an die ersten sexuellen Erfahrungen oder Träume aus der Kindheit oder Pubertät erinnern. Diese Muster könnten stereotyp wiederholt werden, ohne dass eine Weiterentwicklung der sexuellen Phantasien hin zu reiferen, erwachseneren Formen stattfindet.
Unreife Sexualität bei Erwachsenen als Grund für pädophile Interessen
Unreife Sexualität bei Erwachsenen kann in bestimmten Fällen eine Grundlage für pädophile Interessen bilden, allerdings muss betont werden, dass nicht jede Form von unreifer Sexualität zu Pädophilie führt. Pädophile Neigungen sind komplex und entstehen aus einer Vielzahl von Faktoren, darunter biologische, psychologische und soziale Einflüsse. Dennoch gibt es einige mögliche Zusammenhänge zwischen unreifer Sexualität und der Entwicklung pädophiler Interessen:
Entwicklungsstillstand und Fixierung:
Ein Entwicklungsstillstand oder eine Fixierung auf eine frühere Stufe der sexuellen Entwicklung kann dazu führen, dass ein Erwachsener ein anhaltendes Interesse an kindlichen oder jugendlichen Körpern oder Verhaltensweisen entwickelt. Diese Fixierung könnte in der frühen Kindheit oder Jugend entstehen, wenn die Person sexuelle Gefühle oder Erregung mit kindlichen Merkmalen oder Szenarien assoziiert und diese Assoziationen nicht überwindet oder weiterentwickelt. Wenn solche Fixierungen bestehen bleiben, könnten sie im Erwachsenenalter in einer Neigung zu Pädophilie münden.
Kindliche Egozentrik und Machtphantasien:
Wie bereits besprochen, kann kindliche Egozentrik bei einer Person zu einer Form der Sexualität führen, die stark selbstzentriert ist und von Macht- und Kontrollphantasien geprägt ist. Ein solcher Mensch könnte in kindlichen Szenarien eine Möglichkeit sehen, diese Macht und Kontrolle auszuüben, da Kinder als schwächer und leichter zu dominieren wahrgenommen werden. Diese Machtphantasien könnten sich dann in pädophilen Neigungen manifestieren, wenn die Person versucht, ihre unreifen sexuellen Wünsche in einer Weise auszuleben, die das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern ausnutzt.
Mangel an reifen emotionalen Beziehungen:
Ein Erwachsener mit unreifer Sexualität könnte Schwierigkeiten haben, sich auf gleichwertige, reife emotionale Beziehungen einzulassen, die die gegenseitige Anerkennung der Bedürfnisse und Wünsche beider Partner beinhalten. Diese Unfähigkeit, reife Beziehungen einzugehen, könnte dazu führen, dass die Person sich zu Kindern hingezogen fühlt, die in ihrer Abhängigkeit und emotionalen Unreife der eigenen inneren emotionalen Welt ähnlicher erscheinen. Diese Projektion kann eine Grundlage für pädophile Neigungen schaffen, da der Erwachsene eine Art „Gleichgesinnung“ in Kindern sucht, anstatt in gleichaltrigen Erwachsenen.
Sexuelle Desorientierung und Verwirrung in Bezug auf angemessene Sexualobjekte
Unreife Sexualität kann auch zu einer allgemeinen Desorientierung oder Verwirrung hinsichtlich sexueller Objekte führen. Wenn eine Person in ihrer sexuellen Entwicklung nicht die üblichen Stadien durchläuft oder wenn diese Entwicklung gestört wird, kann sie möglicherweise nicht in der Lage sein, klare und altersgerechte sexuelle Präferenzen zu entwickeln. In extremen Fällen könnte diese Verwirrung dazu führen, dass die Person Kinder oder Jugendliche als sexuelle Objekte betrachtet, da sie diese mit ihren eigenen, möglicherweise unvollständig entwickelten sexuellen Gefühlen in Verbindung bringt.
Psychologische und emotionale Regression
Bei einigen Menschen könnte eine Rückkehr in frühere Entwicklungsstadien (Regression) eine Rolle spielen. Diese Regression kann durch Traumata, Stress oder andere psychologische Probleme ausgelöst werden, wodurch die Person versucht, Sicherheit und Komfort in Kindheitserinnerungen oder -gefühlen zu finden. In extremen Fällen könnte sich diese Regression auch auf die Sexualität ausdehnen, sodass die Person sexuelle Gefühle auf Kinder projiziert, die sie als Teil ihrer regressiven, kindlichen Denkweise wahrnimmt.
Wichtige Differenzierungen
Pädophilie als eigenständige Diagnose: Pädophilie wird als eine spezifische sexuelle Präferenzstörung betrachtet und ist in ihrer Genese vielschichtig. Unreife Sexualität allein reicht nicht aus, um pädophile Neigungen zu erklären oder zu diagnostizieren. Pädophilie wird in der Regel durch eine persistente und exklusive sexuelle Anziehung zu präpubertären Kindern definiert, die sich von allgemeinen Mustern unreifer Sexualität unterscheidet.
Nicht jeder Erwachsene mit unreifer Sexualität wird pädophil: Unreife Sexualität kann sich in vielen Formen äußern, von infantilen Fantasien bis hin zu regressivem Verhalten, ohne dass dies zwangsläufig zu pädophilen Neigungen führt. Es ist nur eine von vielen möglichen Faktoren, die in einem sehr spezifischen Kontext und Zusammenspiel zu pädophilen Interessen beitragen können.
Zusammengefasst kann unreife Sexualität ein Risikofaktor für die Entwicklung pädophiler Interessen sein, insbesondere wenn sie mit anderen psychologischen, sozialen oder biologischen Faktoren kombiniert wird. Jedoch handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel von Umständen, bei dem unreife Sexualität nur einen Teil des Gesamtbildes darstellt.
Unterschied zu Asexualität
Asexualität ist das Fehlen von sexueller Anziehung zu anderen Menschen. Asexuelle Menschen haben in der Regel kein oder nur sehr sporadisches Interesse an sexuellen Aktivitäten, unabhängig davon, ob sie infantile oder erwachsene Sexualität entwickelt haben. Im Gegensatz zur infantilen Sexualität, bei der sexuelle Wünsche vorhanden sind, aber möglicherweise auf einem unreifen Niveau, fehlt bei Asexuellen oft das grundlegende Bedürfnis nach Sexualität.
Unterschied zu Perversionen
Perversionen (Paraphilien) beziehen sich auf sexuelle Vorlieben, die deutlich von der gesellschaftlich akzeptierten Norm abweichen und oft durch extreme oder ungewöhnliche Objekte oder Szenarien gekennzeichnet sind, wie z.B. Sadismus, Masochismus, oder Fetischismus. Im Gegensatz dazu ist infantile Sexualität eher durch eine Entwicklungsstagnation oder Rückschritt gekennzeichnet, ohne dass es zwingend zu extremen oder normabweichenden Präferenzen kommt. Paraphilien sind oft auf spezifische, ungewöhnliche Reize fokussiert, während infantile Sexualität durch eine allgemeine Unreife oder Regression in der sexuellen Entwicklung gekennzeichnet ist.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich zu diesem Beitrag über unreife Formen von Sexualität bei Erwachsenen sagen: Infantile Sexualität bei Erwachsenen ist eine Folge unreifer sexueller Entwicklung, die sich von Asexualität und auch in den allermeisten Fällen von Perversionen deutlich unterscheidet. Es gibt eine passive Form, in der Menschen mit unreifer Sexualität nur von einer anderen Person als allgütige Mutter oder allgütiger Vater verstanden und versorgt werden möchten und eine sexualisierte Form, in der ein Erwachsener sich als Kind phantasieren, das von der Sexualität Erwachsener überwältigt werden möchte oder aber sich als Erwachsener phantasiert, der ein Kind sexuell überwältigen möchte. In diesem letzten Fall handelt es sich eindeutig um pädophile Neigungen. Zu diesem Thema bitte weiterlesen auf der Seite über Pädophilie.
Weiterlesen: Psychotherapiepraxis in Berlin, Wolfgang Albrecht