Sinn und Funktion des gezeichneten Portraits

Einleitung

Inhaltsverzeichnis

Das Zeichnen von menschlichen Porträts hat tiefe kulturelle und psychologische Wurzeln. Porträts spielen in vielen Gesellschaften eine wichtige Rolle, weil sie Züge des jeweiligen Individuum im gesellschaftlichen und historischen Kontext zum Ausdruck bringen. Es gibt mehrere Gründe, warum Menschen Porträts anfertigen, und diese können sowohl emotionaler als auch künstlerischer oder symbolischer Natur sein:

Selbstbeobachtung und Identität

Beim Zeichnen eines Porträts – insbesondere eines Selbstporträts – geht es oft darum, sich mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen. Künstler verwenden das Medium, um Fragen nach dem Selbst zu klären: Wer bin ich? Wie sehe ich mich selbst? Welche Emotionen und Gedanken sind in meinen Gesichtszügen lesbar? Dies kann eine Form der Selbsterforschung, der Selbstdarstellung aber auch der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit sein.

Zwischenmenschliche Verbindungen

Wenn man ein Porträt von jemand anderem zeichnet, ist das oft ein Versuch, eine Verbindung herzustellen. Die Künstlerin oder der Künstler kann versuchen, die Essenz, die Persönlichkeit oder den emotionalen Zustand des Porträtierten einzufangen. Porträts können als Brücke dienen, um menschliche Beziehungen und Empathie zu vertiefen, indem sie nicht nur äußere Merkmale, sondern auch innere Emotionen festhalten. So wie jedes Selbstporträt auch gleichzeitig das Porträt einer ganzen Epoche ist, so ist jedes Porträt einer anderen Person in gewisser Wiese auch ein Selbstporträt des Künstlers, zumindest in stilistischer Hinsicht.

Geschichte und Erinnerung

Porträts haben auch eine historische Funktion. Sie bewahren Momente und Persönlichkeiten, die eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen, und geben ihnen Beständigkeit. Früher, vor der Erfindung der Fotografie, waren Porträts eine der wenigen Möglichkeiten, das Aussehen und die Erinnerung an geliebte oder bedeutende Menschen zu bewahren. Diese Tradition lebt weiter, und auch heute noch werden Porträts verwendet, um wichtige Lebensabschnitte oder Personen festzuhalten.

Verarbeitung von Emotionen und Erfahrungen

Das Zeichnen eines Porträts kann auch eine therapeutische Komponente haben. Es hilft dabei, komplexe Emotionen zu verarbeiten, sei es durch das Festhalten von Gesichtsausdrücken oder durch die Interpretation von Mimik und Gestik. Künstler können unbewusste Gefühle und Gedanken in das Porträt einfließen lassen und dadurch einen Weg finden, ihre innere Welt zu verstehen und auszudrücken.

Ästhetisches Streben und Idealisierung

In der Kunstgeschichte wurden Porträts oft verwendet, um Schönheit, Macht und Status darzustellen. Sie boten die Möglichkeit, den Porträtierten in einem bestimmten Licht darzustellen – sei es idealisiert oder realistisch. In dieser Weise können Porträts sowohl ästhetische als auch soziale Kommentare darüber liefern, wie Menschen gesehen werden möchten oder wie die Gesellschaft sie wahrnimmt.

Selbstbehauptung und Sichtbarkeit

In der modernen Zeit kann das Erstellen von Porträts eine Form der Selbstbehauptung sein. Es geht darum, sichtbar zu sein und sich als Individuum zu positionieren. Dies kann insbesondere für marginalisierte Gruppen wichtig sein, die durch Porträts ihre Existenz und ihre Perspektiven in den Mittelpunkt rücken können.

Porträts sind also mehr als nur visuelle Darstellungen. Sie sind tief verwurzelt im menschlichen Bedürfnis nach Selbstausdruck, zwischenmenschlichen Verbindungen und der Auseinandersetzung mit der eigenen und fremden Identität.

John Singer Sargents Selbstbildnis
John Singer Sargents Selbstbildnis

Bedeutende Zeichner menschlicher Porträts

In der Geschichte der Kunst gibt es viele bedeutende Zeichner, die sich durch ihre herausragenden Porträts ausgezeichnet haben. Einige der bekanntesten Künstler, die den menschlichen Ausdruck meisterhaft in Zeichnungen festgehalten haben, stammen aus verschiedenen Epochen und haben unterschiedliche Stile entwickelt. Hier sind einige der bedeutendsten Porträtzeichner:

Leonardo da Vinci (1452–1519)

Leonardo da Vinci gilt als einer der größten Universalgelehrten der Renaissance und als wegweisender Meister des Porträts. Seine Zeichnungen von Menschen sind bekannt für ihre Präzision und Detailgenauigkeit, die er durch akribische anatomische Studien erlangte. Leonardo nutzte seine Porträts und Studien nicht nur zur reinen Abbildung des Äußeren, sondern auch, um das Wesen und die Emotionen der Dargestellten einzufangen.

Ein herausragendes Beispiel seiner Porträtkunst ist das berühmte Porträt einer alten Frau, oft als „Porträt eines alten Mannes“ oder Selbstporträt bezeichnet, das einen alten, bärtigen Mann zeigt – mit hoher Wahrscheinlichkeit Leonardo selbst in seinen späten Jahren. Diese Zeichnung zeigt sowohl eine tiefe Erforschung der menschlichen Alterungsprozesse als auch die Meditation des Künstlers über Vergänglichkeit und Weisheit. Seine Portraitstudien, darunter die berühmten Studien zur Mona Lisa, zeichnen sich durch die subtile Modellierung der Gesichtszüge und die Darstellung von Licht und Schatten aus, die eine Illusion von Dreidimensionalität schaffen.

Leonardos Porträtzeichnungen sind geprägt von einer enormen Feinfühligkeit und dem Wunsch, die Seele seiner Modelle sichtbar zu machen. Er experimentierte mit verschiedenen Techniken, darunter die Schraffur und der Verwischungseffekt, der sogenannten „Sfumato“-Technik, um sanfte Übergänge und weiche Konturen zu schaffen. Mit seiner Mischung aus wissenschaftlichem Interesse und künstlerischer Begabung schuf Leonardo Werke, die die Porträtkunst revolutionierten und Generationen von Künstlern beeinflussten.

Albrecht Dürer (1471–1528)

Albrecht Dürer war einer der größten Künstler der deutschen Renaissance und ein Meister der Porträtkunst, dessen Werke in der Zeichnung, Druckgrafik und Malerei bahnbrechend waren. Er schuf Porträts mit einer Präzision und Liebe zum Detail, die das Wesen und die Persönlichkeit der Porträtierten eindrucksvoll einfingen. Seine Porträtzeichnungen, die oft in Silberstift, Kohle oder Kreide entstanden, zeigen ein unglaubliches Verständnis für Proportionen und die feinsten Nuancen menschlicher Gesichtszüge.

Eines seiner bekanntesten Werke ist das Selbstporträt im Pelzrock (1500), das, obwohl ein Gemälde, auch in seinen Vorzeichnungen als bahnbrechend galt. Er zeigt sich hier in einer fast ikonischen, frontal symmetrischen Haltung, die ihn wie eine religiöse Figur erscheinen lässt. Diese Darstellung war eine kühne und innovative Selbstdarstellung und unterstrich das neu gewonnene Selbstbewusstsein des Renaissancekünstlers. In seinen Porträts und Selbstporträts betonte Dürer die Individualität und den Charakter seiner Modelle und sich selbst – er stellte den Künstler als bedeutungsvolle, selbstbewusste Persönlichkeit dar.

Dürer zeichnete Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und zeigt durch seine Darstellungen eine präzise Beobachtungsgabe. Seine Studien zu Händen und anderen Gesichtspartien belegen seinen Drang nach realistischer Darstellung, und seine scharfen, linearen Schraffuren sorgten für eine bemerkenswerte Detailtreue. Er beeinflusste die Porträtkunst im deutschsprachigen Raum nachhaltig, indem er die Ideale der italienischen Renaissance in den Norden brachte und dabei eine einzigartige Mischung aus Realismus und künstlerischer Selbstinszenierung schuf.

Hans Holbein der Jüngere (1497–1543)

Hans Holbein der Jüngere war ein deutscher Maler und Zeichner der Renaissance und gilt als einer der bedeutendsten Porträtkünstler des 16. Jahrhunderts. Besonders bekannt ist er für seine detaillierten und lebensechten Porträts am englischen Hof, wo er die führenden Persönlichkeiten seiner Zeit – einschließlich König Heinrich VIII. und seiner Ehefrauen – darstellte. Holbein war Meister der Linienführung und Schraffur und schuf Porträts mit hoher Präzision und scharfer Beobachtungsgabe.

Holbeins Zeichnungen zeichnen sich durch einen klaren, fast grafischen Stil aus, der die Modelle mit feinen Linien und Schattierungen darstellt und eine hohe Detailgenauigkeit erreicht. Seine Porträtzeichnungen am Hof von Heinrich VIII. zeigen das Gesicht seiner Modelle bis in die feinsten Züge, oft in profilartigen Darstellungen. Mit diesen Arbeiten schuf er nicht nur Einzelbilder von Menschen, sondern auch wichtige historische Dokumente, die das Leben und die Mode seiner Zeit festhielten. Holbeins Porträts sind bekannt für ihre neutralen und fast objektiven Darstellungen – er idealisierte seine Modelle nicht, sondern bildete sie mit großer Treue und Klarheit ab.

Mit seinen Werken brachte Holbein eine kühle und präzise Ehrlichkeit in die Porträtkunst und beeinflusste die europäische Kunstwelt nachhaltig. Seine Fähigkeit, die Persönlichkeit und den sozialen Status der Dargestellten auf prägnante Weise einzufangen, machte ihn zu einem der herausragendsten Porträtisten der Renaissance.

Rembrandt van Rijn (1606–1669)

Rembrandt van Rijn, der niederländische Meister des Goldenen Zeitalters, gilt als einer der bedeutendsten Porträtkünstler aller Zeiten. Seine Fähigkeit, das innere Leben und die Emotionen seiner Modelle darzustellen, hebt ihn besonders hervor. Rembrandt schuf viele Porträtzeichnungen und Radierungen, die vor allem für ihre außergewöhnliche Tiefe und Lebendigkeit bekannt sind. Seine Zeichnungen sind von einem lockeren, lebhaften Strich geprägt und vermitteln trotz ihres skizzenhaften Charakters eine unglaubliche Präsenz und Authentizität.

Rembrandts Selbstporträts, die er über mehrere Jahrzehnte hinweg zeichnete, geben faszinierende Einblicke in sein Leben und seine psychische Entwicklung. Durch diese Serie, die vom Jugend- bis ins hohe Alter reicht, zeigte er die wechselnden Phasen seines Lebens und reflektierte über seine Identität, den Ruhm und die Vergänglichkeit. Rembrandt scheute sich nicht davor, seine eigenen Schwächen und sein Altern darzustellen, und zeigte sich oft als verletzlicher, nachdenklicher Mensch.

In seinen Porträtzeichnungen und -radierungen setzte Rembrandt auf die Wirkung von Licht und Schatten, die sogenannten „Chiaroscuro“-Techniken, um die Gesichtszüge und Emotionen seiner Modelle plastisch hervorzuheben. Sein Einsatz von Hell-Dunkel-Kontrasten verleiht den Porträts eine besondere Ausdrucksstärke und Tiefe. Rembrandt sah in seinen Porträts mehr als nur Abbilder der äußeren Erscheinung – er schuf psychologische Studien, die den Charakter und die Gefühle seiner Modelle sichtbar machen.

Rembrandts Werk revolutionierte die Porträtkunst und beeinflusste nachfolgende Generationen tiefgreifend. Seine Porträts sind heute nicht nur wegen ihrer technischen Meisterschaft, sondern auch wegen ihrer sensiblen Darstellung der menschlichen Psyche weltberühmt.

Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867)

Jean-Auguste-Dominique Ingres war einer der bedeutendsten französischen Künstler des 19. Jahrhunderts und ein Meister der klassischen Porträtzeichnung. Ingres, der zur Strömung des Neoklassizismus zählte, war bekannt für seine außergewöhnliche Linienführung, mit der er elegante und präzise Porträts schuf. Seine Porträts, ob in Form von Zeichnungen oder Gemälden, sind von einer unvergleichlichen Klarheit und Harmonie geprägt, was ihm einen herausragenden Platz in der Kunstgeschichte sicherte.

Ingres war besonders bekannt für seine Bleistiftporträts, die mit feinen Linien und akribischer Genauigkeit die Gesichtszüge und Posen seiner Modelle einfingen. Diese Zeichnungen waren oft Studien für seine späteren Gemälde, besaßen jedoch eine eigene Ausdruckskraft und künstlerische Qualität. Ingres gelang es, die Persönlichkeit und den sozialen Status der Porträtierten darzustellen, ohne dabei an Eleganz oder Idealismus zu verlieren. Seine Zeichnungen sind eine Balance zwischen Realismus und Idealisierung – sie zeigen die Perfektion der menschlichen Form, gepaart mit subtiler emotionaler Tiefe.

Ein Beispiel seiner herausragenden Porträtzeichnungen ist das Porträt der Gräfin d’Haussonville, in dem Ingres mit weichen Schattierungen und feinen Details die Eleganz und Intelligenz der Porträtierten einfängt. Seine Werke zeichnen sich durch eine präzise Linienführung und eine klare Komposition aus, wobei der Fokus oft auf der Zartheit und Schönheit der Gesichtszüge liegt. Ingres’ Porträts waren mehr als nur Abbildungen – sie stellten eine formvollendete Harmonie zwischen dem Dargestellten und der idealen menschlichen Gestalt dar.

Élisabeth Vigée-Lebrun (1755–1842)

Élisabeth Vigée-Lebrun war eine der bedeutendsten Porträtkünstlerinnen des 18. Jahrhunderts und eine der wenigen Frauen, die sich in der von Männern dominierten Kunstwelt dieser Zeit einen herausragenden Ruf erarbeiten konnte. Sie war vor allem für ihre Porträts der europäischen Aristokratie und des französischen Königshauses bekannt, darunter die berühmten Darstellungen von Königin Marie-Antoinette. Ihre Zeichnungen und Gemälde zeichneten sich durch Eleganz, Anmut und subtile psychologische Tiefe aus.

Vigée-Lebruns Porträtzeichnungen sind oft in Kreide oder Pastell gefertigt und zeigen eine meisterhafte Beherrschung von Licht und Schatten. Sie legte besonderen Wert darauf, den Charakter und die Persönlichkeit ihrer Modelle in einem vorteilhaften Licht darzustellen, was ihren Werken eine gewisse Raffinesse und Leichtigkeit verlieh. Sie verstand es, die weibliche Schönheit auf besonders elegante Weise darzustellen, wobei sie die weichen Konturen und die feinen Details der Gesichter hervorhob. In ihren Porträts vermittelte sie häufig eine intime Beziehung zwischen dem Modell und dem Betrachter, was ihren Arbeiten eine lebendige Präsenz verlieh.

Ein Beispiel für Vigée-Lebruns Kunstfertigkeit ist ihre Zeichnung Selbstporträt mit Strohhut, in der sie sich selbstbewusst und strahlend darstellt, was nicht nur ihre künstlerischen Fähigkeiten, sondern auch ihren eigenen sozialen Status als erfolgreiche Künstlerin unterstreicht. Sie verwendete ihre Porträts, um die Würde und Schönheit der Frauen ihrer Zeit zu feiern, und brachte gleichzeitig die Persönlichkeit der Dargestellten auf subtile Weise zur Geltung.

Élisabeth Vigée-Lebrun trug erheblich zur Porträtkunst bei, indem sie sowohl die äußere Erscheinung als auch die innere Welt ihrer Modelle einfing. Ihre Porträts waren Ausdruck einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels, in der Kunst und Mode eng miteinander verbunden waren, und sie hinterließ ein bleibendes Vermächtnis als eine der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Epoche.

Edgar Degas (1834–1917)

Edgar Degas, einer der führenden Künstler des französischen Impressionismus, war ein Meister der menschlichen Figur und Porträtkunst. Obwohl er vor allem für seine Darstellungen von Tänzerinnen bekannt ist, schuf er auch eine bedeutende Anzahl an Porträts, sowohl in Gemälden als auch in Zeichnungen. Degas interessierte sich weniger für die idealisierte Schönheit seiner Modelle, sondern vielmehr für deren natürliche Gestik und Körpersprache. In seinen Porträts versuchte er, flüchtige Momente und den unverfälschten Ausdruck der menschlichen Seele einzufangen.

Degas‘ Porträtzeichnungen, oft in Kreide oder Kohle, sind von einem lebendigen und dynamischen Strich geprägt, der die Bewegung und Persönlichkeit seiner Modelle festhält. Er legte großen Wert auf Komposition und Perspektive, experimentierte oft mit ungewöhnlichen Blickwinkeln und Ausschnitten. In seinen Werken zeigt sich eine Beobachtungsgabe, die sowohl psychologische Tiefe als auch eine gewisse Distanz vermittelt – Degas stellte die Menschen nicht als makellose Individuen dar, sondern als reale Persönlichkeiten mit Schwächen und Eigenheiten.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist sein Porträt von Elena Carafa, in dem Degas den flüchtigen, nachdenklichen Ausdruck seines Modells mit einem lockeren, impressionistischen Strich einfängt. Die zarten Schattierungen und die fast skizzenhafte Linienführung verleihen der Zeichnung eine Unmittelbarkeit und Frische, die für Degas’ Ansatz, das menschliche Wesen darzustellen, charakteristisch ist. Seine Porträts sind weniger idealisierend als vielmehr Erkundungen des menschlichen Ausdrucks und der Flüchtigkeit des Augenblicks.

John Singer Sargent (1856–1925)

John Singer Sargent war einer der herausragendsten Porträtzeichner und -maler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Er wurde als US-Amerikaner in Florenz geboren und war für seine außergewöhnliche Fähigkeit bekannt, die Persönlichkeit seiner Modelle in seinen Porträts einzufangen. Obwohl er vor allem für seine Ölgemälde bekannt ist, schuf Sargent auch meisterhafte Porträtzeichnungen in Kohle, die eine besondere Intimität und Direktheit besitzen.

Sargent zeichnete berühmte Persönlichkeiten seiner Zeit, darunter Künstler, Schriftsteller und Aristokraten, und war für seinen subtilen Realismus und seine Fähigkeit, den Charakter und die Stimmung eines Menschen mit wenigen, aber präzisen Strichen darzustellen, hochgeschätzt. Seine Porträtzeichnungen zeigen ein tiefes Verständnis für Licht und Schatten und sind oft sehr sparsam und minimalistisch, aber dennoch äußerst wirkungsvoll.

Sargent verstand es, den Charme und die Eleganz seiner Modelle hervorzuheben, ohne dabei zu übertreiben oder zu idealisieren. Seine Arbeiten vermitteln eine starke Präsenz, die fast fotografisch wirkt, aber gleichzeitig die künstlerische Handschrift und Interpretation eines Malers aufweist. In seinen Porträts kombinierte er eine technisch präzise Darstellung mit einer psychologischen Tiefe, die den Betrachter die Persönlichkeit des Dargestellten nachempfinden lässt.

Gustav Klimt (1862–1918)

Gustav Klimt war einer der herausragendsten Vertreter des Wiener Jugendstils und ist vor allem für seine dekorativen, symbolischen Porträts bekannt. Doch auch in seinen Zeichnungen zeigte sich seine Meisterschaft in der Darstellung des menschlichen Körpers, insbesondere in der sensiblen Wiedergabe von Gesichtern und Emotionen. Klimt fertigte zahlreiche Zeichnungen an, die oft als Studien für seine Gemälde dienten, aber auch eigenständige Kunstwerke von großer ästhetischer Bedeutung sind.

Klimts Porträtzeichnungen, häufig in Bleistift oder Kreide, sind von einer eleganten Schlichtheit geprägt. Er schuf zarte, fast ätherische Darstellungen, die die Schönheit und Verletzlichkeit des menschlichen Körpers zum Ausdruck bringen. Besonders auffällig in Klimts Arbeiten ist der oft sinnliche und intime Charakter seiner Darstellungen, insbesondere der weiblichen Modelle. Klimt verstand es, die Persönlichkeit seiner Modelle durch feine Linien und geschickte Schattierungen darzustellen, oft mit einem Hauch von Erotik und Geheimnis.

Ein herausragendes Beispiel seiner Porträtzeichnungen ist Studie zu Adele Bloch-Bauer, die spätere Vorlage für eines seiner berühmtesten Gemälde wurde. In dieser Zeichnung erfasst Klimt die Anmut und den eleganten Charakter seines Modells mit zarten, fließenden Linien, die eine faszinierende Intimität vermitteln. Seine Zeichnungen sind Ausdruck einer tiefen Bewunderung für die Schönheit des menschlichen Körpers und gleichzeitig ein Spiel mit Form und Linie, das die Grenzen zwischen Porträt und Ornament auflöst.

Käthe Kollwitz (1867–1945)

Käthe Kollwitz war eine der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts und eine Meisterin der Porträtzeichnung. Ihre Werke, oft in Kohle oder Kreide, sind geprägt von tiefem Mitgefühl für die Leiden und Kämpfe der Menschen, insbesondere der Arbeiterklasse, Frauen und Kinder. Sie schuf nicht nur Einzelporträts, sondern auch Serien, die das menschliche Leid, den Schmerz und die Trauer auf ergreifende Weise thematisieren.

Kollwitz‘ Porträts sind oft rau, düster und emotional aufgeladen. Sie verzichtete auf idealisierte Darstellungen und konzentrierte sich stattdessen auf die ungeschminkte Realität des menschlichen Daseins. Ihre Selbstporträts, die sie in verschiedenen Lebensphasen schuf, zeigen eine tiefe Auseinandersetzung mit dem eigenen Schmerz und der Vergänglichkeit des Lebens. Besonders nach dem Verlust ihres Sohnes im Ersten Weltkrieg gewann ihre Kunst eine neue, noch tiefere Ausdruckskraft.

Kollwitz verstand es, in wenigen Linien die Essenz eines Menschen oder einer Emotion darzustellen. Ihre Porträts strahlen eine starke physische und emotionale Präsenz aus, die den Betrachter direkt anspricht. Durch ihre Werke setzte sie ein kraftvolles Zeichen gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit und wurde zu einer bedeutenden Stimme für Humanität und Mitgefühl in einer Zeit politischer und sozialer Umbrüche.

Gemeinsam mit ihren intensiven Darstellungen von Leid und Trauer steht Kollwitz als Symbol für die Fähigkeit der Kunst, tiefere gesellschaftliche und persönliche Themen zu vermitteln. Ihre Porträts und Selbstporträts bleiben ikonische Beispiele für die Verbindung von Kunst und sozialem Engagement.

Egon Schiele (1890–1918)

Egon Schiele, Schüler von Gustav Klimt, war ein österreichischer Künstler des Expressionismus und bekannt für seine oft provokativen und emotional aufgeladenen Porträts und Selbstporträts. Schiele revolutionierte die Porträtkunst durch seine radikal subjektive und intensive Darstellung des menschlichen Körpers und der Psyche. In seinen Porträten und Aktzeichnungen konzentrierte sich Schiele auf das Rohe, Unverblümte und oft Unbequeme im menschlichen Ausdruck, was ihn zu einem der bedeutendsten Zeichner seiner Zeit machte.

Schieles Porträts zeichnen sich durch verzerrte Proportionen, dramatische Linien und eine direkte Emotionalität aus. Seine Figuren wirken oft angespannt, verdreht oder fragmentiert, was den inneren Zustand des Modells oder seine eigene Selbstwahrnehmung widerspiegelt. Schiele setzte kräftige Konturen und expressive Striche ein, um Emotionen wie Angst, Isolation, aber auch Sinnlichkeit darzustellen. Besonders in seinen Selbstporträts offenbarte Schiele eine tiefe Auseinandersetzung mit seiner eigenen Identität und Verletzlichkeit.

Ein berühmtes Beispiel ist das Selbstporträt mit hochgezogenem Knie, in dem Schiele sich in einer ungewöhnlichen, fast unbequemen Pose darstellt. Seine überzeichneten Gesichtszüge und der intensive Blick spiegeln eine starke emotionale Spannung wider, die in vielen seiner Arbeiten zu finden ist. Schieles Porträts und Selbstporträts sind nicht nur Studien des menschlichen Körpers, sondern auch Erkundungen der menschlichen Seele und ihrer Abgründe. Seine Werke haben die Kunstwelt nachhaltig geprägt und die Ausdrucksmöglichkeiten der Porträtkunst erweitert.

Lucian Freud (1922–2011)

Lucian Freud war ein britischer Maler und Zeichner, der für seine schonungslosen und intensiven Porträts bekannt wurde. Als Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud interessierte er sich sehr für die menschliche Psyche und setzte dies in seiner Kunst in radikal ehrlichen Porträts um. Freud gilt als einer der bedeutendsten Porträtisten des 20. Jahrhunderts und als Vorreiter des figurativen Realismus. Seine Werke sind bekannt für ihre ungeschönte, fast brutale Direktheit und die hohe Sensibilität im Umgang mit Texturen, Haut und Körpersprache.

Freuds Porträtzeichnungen, die er häufig in Kohle oder Graphit anfertigte, sind geprägt von einem intensiven Studium seiner Modelle. Er arbeitete oft über Stunden hinweg an einem einzigen Porträt, um den Charakter, die Stimmungen und das Leben der Porträtierten in jeder Linie und jedem Schatten einzufangen. Seine Darstellungen zeigen die Menschen ohne jede Idealisierung – sie sind oft verletzlich und rau, mit betonten Falten, Hautunreinheiten und anderen Zeichen des Alterns. Freud wählte seine Modelle meist aus dem engen Freundes- und Familienkreis und legte großen Wert auf eine lange, intime Arbeitssitzung, um das Wesen der Person vollständig zu erfassen.

Ein typisches Beispiel seiner Porträtkunst ist das Porträt seiner Mutter, an dem er über Jahre hinweg immer wieder arbeitete. Die Zeichnung zeigt die Mutter in einer ruhigen, fast meditativ wirkenden Pose, wobei Freuds Strich die tiefe Verbundenheit und gleichzeitig die Distanz zu seinem Modell vermittelt. In seiner Herangehensweise reflektiert Freud das Leben der Porträtierten und die Spuren, die es auf ihnen hinterlassen hat. Seine Arbeiten sind geprägt von einer ergreifenden Ehrlichkeit und einem bemerkenswerten Gespür für Details, die im Zusammenspiel eine einzigartige Präsenz erzeugen.

Lucian Freud hat die Porträtkunst durch seine kompromisslose Herangehensweise und seine intensive Beschäftigung mit der physischen Realität des menschlichen Körpers neu definiert. Er zeigte die Menschen in ihrer Zerbrechlichkeit und ihrem realen Dasein und gab damit der Porträtkunst eine radikal ehrliche, introspektive Dimension, die tief in die menschliche Existenz hineinreicht.

Zusammenfassung

Diese Künstler haben seit der Renaissance das Porträtzeichnen auf unterschiedliche Weisen geprägt und erweitert, indem sie sowohl die äußere Erscheinung als auch die innere Welt ihrer Modelle mit verschiedenen Techniken und Stilen darstellten.

Rembrandts Selbstbildnis mit Saskia

Die Botschaften der Selbstporträts

Selbstporträts sind ein faszinierendes Fenster in die Gedanken- und Gefühlswelt der Künstler. Sie bieten die Möglichkeit zur Selbsterforschung, zur Selbstdarstellung und zur Kommunikation von tieferen Botschaften, die über das rein Visuelle hinausgehen. Die berühmten Selbstporträtzeichnungen bekannter Künstler enthalten oft vielschichtige Botschaften, die sowohl persönliche als auch universelle Themen ansprechen. Hier sind einige der wichtigsten Botschaften, die in den Selbstporträts bekannter Künstler zu finden sind:

Selbstreflexion und Identität

Leonardo da Vinci: Obwohl nur wenige Selbstporträts von Leonardo existieren, wird sein berühmtes Selbstbildnis als alter Mann oft als Reflexion über Vergänglichkeit und Weisheit interpretiert. Es zeigt einen Künstler, der tief in Gedanken versunken ist, fast als eine Art philosophischer Beobachter seines eigenen Alterns. Die Botschaft hier könnte sein: der Mensch als Denkender, der über die eigenen Lebensphasen reflektiert.

Albrecht Dürer: Dürers bekanntes Selbstporträt im Pelzrock zeigt ihn in einer Christus-ähnlichen Pose, was oft als ein Kommentar zur Erhöhung des Künstlers als Schöpfer interpretiert wird. Es könnte die Botschaft enthalten, dass der Künstler göttliche Fähigkeiten hat, indem er durch seine Kunst „neue Welten“ schafft.

Selbstbehauptung und Status

Rembrandt van Rijn: Rembrandt fertigte während seines Lebens zahlreiche Selbstporträts an, in denen er sich oft in unterschiedlichen Posen und Stimmungen darstellte. Diese Bilder sind nicht nur Studien seines äußeren Erscheinungsbildes, sondern auch seiner inneren Kämpfe. Seine späten Selbstporträts, die ihn gealtert und melancholisch zeigen, senden eine Botschaft über die Vergänglichkeit des Ruhms und die Herausforderungen des Lebens. Rembrandts Selbstporträts reflektieren seinen Stolz, seine Verwundbarkeit und die tiefe Einsicht in das menschliche Dasein.

Élisabeth Vigée-Lebrun: In ihren Selbstporträts zeigt sie sich oft als elegant und selbstbewusst, was eine klare Botschaft über den Status und das Ansehen weiblicher Künstler in einer Zeit vermittelt, in der Frauen oft von der Kunstwelt ausgeschlossen waren. Ihre Werke signalisieren, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft und in der Kunstwelt beansprucht.

Selbstinszenierung und Maskierung

Gustav Klimt: Interessanterweise gibt es von Klimt fast keine Selbstporträts. Er sagte einmal, dass er mehr an anderen Menschen interessiert sei als an sich selbst. Diese Abwesenheit von Selbstporträts könnte selbst eine Aussage sein – ein Verzicht auf Egozentrik oder eine bewusste Entscheidung, sich hinter den eigenen Werken zu verbergen. Das Fehlen eines Selbstporträts vermittelt eine Botschaft darüber, dass der Künstler selbst Teil seiner Werke ist, aber nicht physisch sichtbar sein muss.

Egon Schiele: Schieles Selbstporträts sind oft verzerrt und voller psychologischer Intensität. Seine Darstellung des eigenen Körpers in extremen, oft unnatürlichen Posen kann als eine Botschaft über die Entfremdung, innere Zerrissenheit und das Gefühl der Isolation gedeutet werden. Schiele spielte auch mit der Idee der Maskierung und der Enthüllung, was auf die Vielschichtigkeit menschlicher Identität hinweist.

Selbstkritik und Verletzlichkeit

Vincent van Gogh: Seine Selbstporträts zeigen oft einen Mann in verschiedenen emotionalen Zuständen, von ruhiger Konzentration bis hin zu offensichtlicher innerer Unruhe. Sein Selbstporträt mit verbundenem Ohr (nachdem er sich das Ohr abgeschnitten hatte) ist ein eindrucksvolles Beispiel für den Versuch, seinen emotionalen und psychischen Zustand zu verarbeiten. Van Gogh zeigt nicht nur sein physisches Aussehen, sondern auch seine tiefe innere Zerrissenheit und Verletzlichkeit. Die Botschaft hier ist die Offenlegung von Schmerz, Unsicherheit und psychischem Leiden.

Lucian Freud: Freud ist bekannt für seine ungeschönten, brutalen Selbstporträts, die oft seine nackte, alternde Gestalt zeigen. Seine Selbstporträts wirken fast schon gnadenlos in der Darstellung des körperlichen Verfalls. Sie enthalten eine Botschaft über die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, die Akzeptanz der eigenen Schwächen und das Unvermeidliche des Alterns.

Selbstverherrlichung und Macht

Albrecht Dürer: Dürers berühmtes Selbstporträt aus dem Jahr 1500 zeigt ihn frontal und selbstbewusst, fast wie eine christusähnliche Figur. Das Selbstporträt ist ikonisch geworden, da es den Künstler in einer Art und Weise darstellt, die normalerweise religiösen Figuren vorbehalten war. Es enthält eine klare Botschaft über das Selbstbewusstsein und die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft: Dürer stellt sich als geniale, fast göttliche Figur dar, was für die Renaissance ein Zeichen des wachsenden Selbstbewusstseins der Künstler war.

Vergänglichkeit und Tod

Francisco Goya: In seinen späten Jahren schuf Goya Selbstporträts, die oft von dunklen, düsteren Stimmungen durchdrungen sind. Sein Selbstporträt als alter Mann, gestützt auf einen Stock, vermittelt eine Botschaft der Schwäche, des Alterns und der Annäherung an den Tod. Seine Werke sind eine Reflexion über die Endlichkeit des Lebens und die Vergänglichkeit von Macht und Gesundheit.

Käthe Kollwitz: In ihren Selbstporträts thematisiert sie oft Schmerz und Trauer, besonders nach dem Verlust ihres Sohnes im Ersten Weltkrieg. Ihre Selbstporträts wirken introspektiv und melancholisch und enthalten eine Botschaft über die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens und die Auswirkungen des Leids.

Künstler als Schöpfer und Beobachter

Frida Kahlo: Obwohl sie für ihre Gemälde und nicht für Zeichnungen bekannt ist, sind Kahlos Selbstporträts ein hervorragendes Beispiel für die Darstellung des Künstlers als Beobachter des eigenen Lebens. Sie zeigt sich oft von Schmerz und körperlicher Verletzung gezeichnet, nutzt das Selbstporträt aber auch, um ihre kulturelle Identität und ihren Stolz auf ihre Herkunft zu betonen. Die Botschaft ist komplex: Sie ist nicht nur ein Opfer des Schmerzes, sondern auch eine starke, widerstandsfähige Persönlichkeit.

Zusammenfassung

Die Botschaften, die in Selbstporträtzeichnungen bekannter Künstler enthalten sind, sind oft tief persönlich und reflektieren Themen wie Identität, Selbsterkenntnis, Status, innere Konflikte, Vergänglichkeit und Macht. Selbstporträts sind mehr als nur Abbilder des physischen Erscheinungsbildes – sie sind Ausdrucksformen, die es den Künstlern ermöglichen, ihre inneren Gedanken, Emotionen und Reflexionen über das Leben und den Tod zu kommunizieren.

Porträtzeichnen übt eine besondere Faszination aus auch auf Hobbykünstler

Hobbykünstler befassen sich oft aus einer Vielzahl von Gründen gerne mit dem Zeichnen von Porträts. Diese Gründe umfassen sowohl künstlerische als auch persönliche und emotionale Motive:

Faszination für das Menschliche

Das menschliche Gesicht ist ein faszinierendes Motiv, da es eine Fülle von Ausdrucksformen und Emotionen bietet. Hobbykünstler werden oft von der Herausforderung angezogen, diese feinen Details und Unterschiede darzustellen. Ein Porträt erlaubt es, tief in die Anatomie, Mimik und den Charakter eines Menschen einzutauchen.

Herausforderung der Technik

Das Zeichnen von Porträts ist technisch anspruchsvoll, was es zu einer beliebten Übung für Hobbykünstler macht, die ihre Fähigkeiten verbessern wollen. Die präzise Darstellung von Proportionen, Schattierungen und Strukturen, insbesondere bei Gesichtszügen, bietet eine Herausforderung, die mit Übung und Geduld Fortschritte erkennen lässt. Viele Künstler sehen es als eine Art „Meisterprüfung“ an, wenn sie realistische Porträts erstellen können.

Persönliche Verbundenheit

Viele Hobbykünstler zeichnen Menschen, die ihnen nahestehen – Familie, Freunde oder sogar sich selbst. Diese Vertrautheit mit dem Motiv kann eine emotionale Verbindung schaffen, die das Zeichnen zu einer sehr persönlichen und bedeutungsvollen Erfahrung macht. Das Festhalten von vertrauten Gesichtszügen kann als Akt der Wertschätzung oder Erinnerung dienen.

Selbstausdruck und Empathie

Durch das Zeichnen von Porträts können Hobbykünstler ihre eigenen Gefühle und ihre Empathie für andere ausdrücken. Das Erfassen des Ausdrucks eines anderen Menschen erfordert ein gewisses Einfühlungsvermögen, und dies kann dem Künstler helfen, sich mit den Emotionen oder der Persönlichkeit des Porträtierten auseinanderzusetzen. Manche sehen im Porträtzeichnen auch eine Art „Spiegel“, um die eigene Wahrnehmung von anderen Menschen zu verstehen.

Unmittelbare Ergebnisse

Ein weiterer Grund, warum Porträts bei Hobbykünstlern beliebt sind, ist die unmittelbare Erkennbarkeit des Ergebnisses. Menschen sind darauf trainiert, Gesichter und Emotionen zu erkennen, daher kann ein gut gemachtes Porträt sofort als „erfolgreich“ wahrgenommen werden. Dies gibt vielen Künstlern eine direkte Bestätigung und Motivation.

Vielseitigkeit und Kreativität

Porträts bieten viel Spielraum für kreative Interpretation. Hobbykünstler können mit unterschiedlichen Stilen experimentieren – von realistischer Detailgenauigkeit bis hin zu abstrakten oder expressionistischen Ansätzen. Sie können nicht nur das Äußere eines Menschen darstellen, sondern auch versuchen, innere Gefühle und Stimmungen auf ihre ganz eigene Weise zum Ausdruck zu bringen.

Selbstporträts als Selbstreflexion

Viele Hobbykünstler zeichnen gerne Selbstporträts als eine Form der Selbstreflexion und Selbstentdeckung. Dabei geht es nicht nur um die technische Herausforderung, sondern auch um das Nachdenken über die eigene Identität und das Festhalten der eigenen Persönlichkeit. Für einige kann dies eine therapeutische Übung sein, die ihnen hilft, sich selbst besser zu verstehen.

Kommunikation ohne Worte

Bilder können oft das ausdrücken, was mit Worten schwer zu fassen ist. Für Hobbykünstler kann das Zeichnen von Porträts eine nonverbale Möglichkeit sein, Gefühle, Gedanken und Eindrücke zu kommunizieren. Das Zeichnen eines Gesichts, das bestimmte Emotionen zeigt, erlaubt es, ohne Worte eine Geschichte oder eine Botschaft zu vermitteln.

Zusammengefasst bietet das Zeichnen von Porträts für Hobbykünstler eine Mischung aus technischer Herausforderung, persönlicher Verbindung und kreativem Selbstausdruck. Die menschliche Faszination für Gesichter und die Fähigkeit, Emotionen durch Kunst festzuhalten, machen es zu einem besonders ansprechenden Genre.

Unterschiede zur Porträt-Photographie

Die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Porträtzeichnung und einer Porträtfotografie liegen in den Prozessen, der künstlerischen Freiheit, den verwendeten Medien und der emotionalen Interpretation. Hier einige der zentralen Unterschiede:

Technik und Entstehungsprozess

Porträtzeichnung: Eine Porträtzeichnung erfordert manuelle Fertigkeiten und kreatives Schaffen. Der Künstler wählt die Materialien (Bleistift, Kohle, Pastell, etc.) und gestaltet das Bild Strich für Strich. Dieser Prozess ist zeitintensiv und erlaubt eine langsame, bewusste Bearbeitung des Motivs. Der Künstler kann während des Prozesses Details betonen oder verändern und hat die Möglichkeit, das Bild frei nach seinem künstlerischen Empfinden zu gestalten.

Porträtfotografie: Die Fotografie erfasst ein Bild in einem Bruchteil einer Sekunde und ist stark von technischen Faktoren abhängig, wie Belichtung, Fokus, Blende und Kameraqualität. Obwohl der Fotograf den Moment auswählt und das Setting arrangiert, hängt das Ergebnis stark von der Realität ab, die das Foto einfängt.

Künstlerische Freiheit und Interpretation

Porträtzeichnung: In der Zeichnung hat der Künstler vollständige Kontrolle über das Bild. Proportionen, Farben, Schatten und Ausdruck können nach Belieben verändert oder stilisiert werden. Dies ermöglicht eine große Bandbreite an künstlerischen Interpretationen. Eine Zeichnung kann realistischer oder auch abstrakter sein, je nachdem, was der Künstler ausdrücken möchte. Das Bild spiegelt häufig eine subjektive Wahrnehmung wider und zeigt, wie der Künstler die Person sieht oder fühlen lässt.

Porträtfotografie: Die Fotografie fängt ein unmittelbares Abbild der Realität ein. Obwohl Licht, Perspektive und Nachbearbeitung in der Fotografie eine große Rolle spielen, ist sie im Wesentlichen ein genaueres Abbild der äußeren Erscheinung des Porträtierten. Die künstlerische Freiheit besteht hier mehr in der Inszenierung – etwa durch das Spiel mit Licht, Farbe und Komposition – und in der Nachbearbeitung (wie Retusche oder Filter).

Zeitliche Dimension

Porträtzeichnung: Der Entstehungsprozess einer Zeichnung ist in der Regel langsamer und kann sich über Stunden, Tage oder sogar Wochen erstrecken. Der Künstler kann jederzeit innehalten, Anpassungen vornehmen und nachkorrigieren. Dadurch entwickelt sich das Porträt schrittweise, und der Künstler hat viel Zeit, das Motiv zu reflektieren.

Porträtfotografie: Ein Porträtfoto wird im Bruchteil einer Sekunde aufgenommen. Zwar kann eine Fotosession längere Zeit dauern, um den perfekten Moment zu erwischen, doch die Aufnahme selbst ist oft sehr schnell und erfordert weniger Zeitaufwand als eine Zeichnung.

Emotionale und psychologische Tiefe

Porträtzeichnung: Eine Zeichnung kann durch die persönliche Handschrift des Künstlers eine tiefere emotionale und psychologische Dimension bekommen. Die Art, wie ein Gesicht gezeichnet wird – ob weich, kantig, detailliert oder skizzenhaft – kann subtil die Gefühle des Künstlers oder die Wahrnehmung des Porträtierten widerspiegeln. Jede Linie, jeder Strich und jede Schattierung sind bewusste Entscheidungen, die dem Bild oft eine sehr persönliche Note verleihen.

Porträtfotografie: Fotografen können ebenfalls starke emotionale und psychologische Momente festhalten, aber sie arbeiten eher mit der realen Erscheinung und dem Ausdruck des Porträtierten. Emotionale Tiefe in der Fotografie hängt oft von der Fähigkeit des Fotografen ab, den richtigen Moment, die richtige Beleuchtung oder den passenden Gesichtsausdruck einzufangen.

Materielle Aspekte und Oberflächenbeschaffenheit

Porträtzeichnung: Zeichnungen haben eine greifbare Oberfläche und Struktur, die durch den Einsatz von Materialien wie Papier, Kohle oder Farbe entstehen. Dies verleiht der Zeichnung eine physische Tiefe, die durch die Strichführung des Künstlers geprägt ist. Die materielle Beschaffenheit des Kunstwerks ist somit unmittelbar spürbar und kann durch unterschiedliche Techniken variieren (z. B. feine Linien oder grobe, expressive Pinselstriche).

Porträtfotografie: Fotografien haben in der Regel eine glatte, reproduzierbare Oberfläche, unabhängig davon, ob sie digital oder auf Papier gedruckt werden. Es gibt keine „taktile“ Tiefe, die von Hand geschaffen wird, außer durch spezielle Techniken wie analoge Prozesse oder Druckverfahren, die Textur hinzufügen.

Realismus vs. Abstraktion

Porträtzeichnung: Der Künstler kann die Realität abstrahieren, übertreiben oder stilisieren. Er oder sie kann bestimmte Gesichtszüge betonen oder verfremden, um innere Eigenschaften oder Stimmungen darzustellen. Es ist eine Mischung aus realistischer Wiedergabe und künstlerischer Interpretation, die das Porträt individuell und oft einzigartig macht.

Porträtfotografie: Fotografien sind normalerweise realistischer, da sie das Motiv so zeigen, wie es tatsächlich in diesem Moment existiert. Fotografen können jedoch durch Winkel, Licht und Komposition ebenfalls kreative Effekte erzeugen, aber die Grundtreue zur Realität bleibt oft bestehen.

Zweck und Bedeutung

Porträtzeichnung: Eine Zeichnung wird häufig als ein individuelles Kunstwerk betrachtet, das nicht nur den Porträtierten darstellt, sondern auch die künstlerische Handschrift und die Emotionen des Künstlers transportiert. Es kann oft als ein persönlicheres, ausdrucksstärkeres Werk angesehen werden, bei dem die Absicht des Künstlers eine große Rolle spielt.

Porträtfotografie: Fotografien werden oft als dokumentarische, realitätsnahe Darstellungen betrachtet, die schnell und genau die äußere Erscheinung eines Menschen festhalten. Auch Fotografie kann natürlich kunstvoll und ausdrucksstark sein, aber sie wird tendenziell stärker mit der direkten Darstellung von Realität assoziiert.

Zusammenfassung

Eine Porträtzeichnung erlaubt mehr künstlerische Interpretation und subjektiven Ausdruck, während eine Porträtfotografie eher die reale Erscheinung einfängt und sich auf Technik und Timing stützt. Beide Medien können jedoch emotionale Tiefe und künstlerischen Wert transportieren, aber die Art und Weise, wie sie dies tun, unterscheidet sich grundlegend.

Die Zukunft der Porträtzeichnung im Zeitalter von Selfies und medialer Selbstinszenierung

Im Zeitalter von Selfies und sozialer Medien hat insbesondere das Selbstporträt eine neue Form und eine neue Dynamik angenommen. Die Selfie-Kultur hat das Selbstbild in die digitale Welt verlagert, wo es oft um das perfekte Bild, Selbstdarstellung und Anerkennung durch andere geht. Die ästhetische Idealisierung und der Wunsch nach sozialer Bestätigung führen jedoch oft zu einer Oberflächlichkeit und einem toxischen Narzissmus, der durch Bildbearbeitungsfilter und Algorithmen verstärkt wird. In dieser Umgebung stellt sich die Frage: Hat die traditionelle, introspektive Selbstporträt-Zeichnung noch einen Platz?

Die Porträt-Zeichnung und Selbstporträt-Zeichnung könnte in dieser Zeit an Relevanz gewinnen, indem sie eine alternative, tiefere Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich bietet. Anders als das schnelle Selfie ist eine Porträtzeichnung oder Selbstporträt-Zeichnung ein langsamer und intensiver Prozess, der nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch die inneren Zustände und Facetten einer Person offenlegen kann. Hier geht es weniger um das perfekte Bild, sondern um die Beobachtung und Reflexion des eigenen Selbst in einer intimen Auseinandersetzung. In einem sozialen Klima, das stark von idealisierten Selbstdarstellungen geprägt ist, kann die Selbstporträt-Zeichnung eine befreiende und ehrliche Alternative sein, die Raum für Authentizität und Selbstakzeptanz schafft.

Die Zukunft der Porträtzeichnung und Selbstporträt-Zeichnung könnte daher in einer Art Gegenbewegung liegen. Sie könnte als Ausdruck der Entschleunigung und Selbstbeobachtung dienen und zu einem kreativen Mittel werden, um sich von sozialen Erwartungen und Filterillusionen zu lösen. Für viele Menschen – und insbesondere Künstler – könnte das Selbstporträt eine Form des Widerstands gegen die oberflächliche Selfie-Kultur darstellen und einen Weg bieten, das eigene Selbstverständnis fernab von digitalen Bewertungen zu erforschen.

Insofern könnte die Porträtzeichnung und Selbstporträt-Zeichnung in Zukunft eine bedeutende Rolle in der persönlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Bild einnehmen. Sie könnte eine Rückkehr zur Authentizität symbolisieren und jungen Menschen eine Möglichkeit bieten, das eigene Selbst nicht durch die Linse des „idealen“ Bildes zu betrachten, sondern in seiner realen und komplexen Vielfalt anzunehmen. So könnte die Selbstporträt-Zeichnung als Gegenpol zur zeitgeistkonformen Wirkung digitaler Selbstdarstellung bestehen bleiben und sogar eine Renaissance erleben.

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