„3 Tage in Quiberon“ aus dem Jahr 2018 unter der Regie von Emely Atef lief auf der 68. Berlinale und ist jetzt in den Kinos zu sehen. Gezeigt wird eine biographische Vignette aus dem Leben der Schauspielerin Romy Schneider, überzeugend gespielt von Marie Bäumer.
Der Film spielt im Jahr 1981 etwa ein Jahr vor Romy Schneiders frühen Tod und zeigt Romy im Rahmen von drei Tagen, die im Film in schwarz-weiß quasi dokumentiert werden. Sie versucht in dieser Zeit, sich in einem Kur-Wellness-Hotel am bretonischen Atlantik von ihrem anstrengenden Leben zu erholen und d.h. vor allem, sich zu entgiften von Alkohol, Tabletten und einem exzessiven Leben, also wieder auf den Teppich zu kommen, psychisch klar zu werden. Hintergrund ist offenbar auch ein aktueller Konflikt mit dem 14-jährigen Sohn, der in seinem Alter jetzt lieber mit seiner neuen Stieffamilie leben und nicht mehr an Mutters Rockzipfel hängen möchte. Romy verarbeitet das als schwere psychische Kränkung, völlig humorlos. Ihre Erholung versucht Romy vor allem durch Schlafen zu erreichen, wobei sie aber zu aufgewühlt ist, um einschlafen zu können, was typisch für Burnout ist. Um einzuschlafen, nimmt sie dann wieder Tabletten, was das Reha-Konzept natürlich ad absurdum führt.
Die Lage wird komplizierter als fast gleichzeitig die Jugendfreundin Hilde zur moralischen Unterstützung zu Besuch kommt und bald darauf Journalisten, von denen Romy sagt, dass seien zwei ganz liebe Menschen. Später wird deutlich, sie kennt nur den lüstern, verklemmten Fotografen Lebeck, der seine Leidenschaft für die voyeuristische Befriedigung offenbar zum Beruf gemacht hat, aber den kalt-intellektuellen zynischen Promijounalisten Jürgs, der das Interview im Stil eines extrem konfrontativen Politikerinterviews unter Alkoholeinfluss Romys führen und später den Artikel über Romy schreiben wird, hat sie noch nie gesehen.
Und so geht es denn auch weiter, Romy lässt keine Möglichkeit zur Distanzlosigkeit, zum Exzess, zur wahllosen Vergnügung aus. Als Hilde versucht, sie fürsorglich zu stoppen, wird Romy grob ausfällig, beleidigend. Hilde findet dennoch nicht die Kraft, sich von Romy zu distanzieren und schlichtweg abzureisen. Auch sie ist von Romy und deren Glanz abhängig, was Jürgs als Ausbeutungszusammenhang analysiert und damit auch sein eigenes zynisches Verhalten rechtfertigt. Promis sind eben dazu da, dass die Nichtpromis von ihnen schmarotzerhaft profitieren. Dieser Zusammenhang ist geradezu eine Einladung zur Selbstbedienung. Letztlich überzeugt Jürgs mit dieser Argumentation irgendwie sogar Hilde, obwohl sie ihn hasst.
Romy ihrerseits rast in ihren Stimmungen rauf und runter, schließlich verletzt sie sich in ihrer überdrehten Ausgelassenheit am Fuß so gravierend, dass sowohl der Kuraufenthalt als auch der nächste Dreh gecancelt werden müssen. Sie fährt wieder nach Hause in ihre Pariser Wohnung und kuschelt mit ihrer kleinen Tochter, dabei dauerfotografiert von dem Fotojournalisten Lebeck, der genau weiß wie er mit ihr umzugehen hat. Am Ende der Dauerfotografiererei sagt er ihr noch die entscheidende Botschaft, die sie immer wieder glücklich machen wird: „Du bist die Schönste und das wird immer so bleiben.“
„3 Tage in Quiberon“ ist ein erschütterndes Dokudrama über eine attraktive Frau mit stark infantilen Zügen, die trotz ihrer überragenden Begabungen für ihre zentralen psychischen Probleme bis dahin keine Lösungen gefunden hatte. Auf einige Aspekte könnte hier eingegangen werden. Ihr Bühnennarzissmus ist wie bei Monroe lehrbuchhaft ausgeprägt. Ohne Aufmerksamkeit durch begeisterte Menschen fühlt sie sich leer und überflüssig. Die Stimmung wird aber noch mehr gehoben, wenn die Begeisterten sich zusätzlich noch hinter Fotoapparaten oder Kameras befinden. Das ist die gewünschte Droge, die Vitalität und ein zufriedenes Selbstgefühl verschafft.
Im Zentrum des Films aber steht Romys autodestruktiver Kampf gegen das Bild, das ihre Mutter vermeintlich oder tatsächlich in der Figur der Sissi von ihr als 15-jähriger Frau hatte zeichnen lassen. Nach dem Ansehen des Films drängt sich der Eindruck auf, dass Romy mit ihrer ganzen destruktiven Energie vor allem auch der Mutter trotzen möchte und immer wieder zwanghaft beweisen muss, dass sie nicht Sissi ist.
„3 Tage in Quiberon“ ist ein Film über den Zusammenhang von Martyrium und Rebellion, über die Anatomie eines destruktiven Kampfes um ein wie immer geartetes authentisches Selbstbild, das man zusammen fassen könnte in einer verzweifelt ausgelebten Formel: „Ich bin nicht die, für die ihr mich haltet. Ich bin nicht Sissi und ich bin schon gar nicht die Tochter, die ich für meine Mutter hätte sein sollen.“
Das Leben von Romy Schneider war vielschichtig und die im Film dargestellte Problematik ist es in angemessener Weise auch. Deshalb verbietet es sich, die konflikthaften Stränge auf einen der angesprochenen Aspekte zu verkürzen. Letztlich war Romy Schneider eine faszinierende Künstlerin und das bleibt sie auch trotz ihrer im Film dargestellten infantilen, autodestruktiven Theatralik, ihrer Stimmungslabilität, Abhängigkeit von Nähe und Exzessen und ihrem hilflosen Versuch, die Mutter im eigenen Martyrium zu widerlegen.
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