Einleitung
Fälle, in denen Kinder erleichtert oder sogar froh waren, als ihr Vater starb, sind in der Literatur und Geschichte nicht häufig offen beschrieben, da solche Gefühle in vielen Kulturen als tabu gelten. Dennoch gibt es einige prominente Beispiele, bei denen Kinder über schwierige, oft traumatische Beziehungen zu ihren Vätern berichteten. Hier sind einige Beispiele:
Golo Mann und Thomas Mann
Golo Mann, Sohn des berühmten Schriftstellers Thomas Mann, hatte eine schwierige Beziehung zu seinem Vater. Thomas Mann war ein sehr autoritärer und distanzierter Vater, der hohe Erwartungen an seine Kinder stellte und wenig emotionalen Zugang zu ihnen hatte. Golo Mann litt zeitlebens unter dem Druck, den der Ruhm und die Erwartungen seines Vaters auf ihn ausübten. Nach dem Tod von Thomas Mann soll Golo eine gewisse Erleichterung verspürt haben, weil er sich von den erdrückenden Erwartungen und dem Schatten seines übermächtigen Vaters befreit fühlte.
Karl May und Heinrich May
Der deutsche Schriftsteller Karl May, bekannt für seine Abenteuerromane wie “Winnetou”, hatte eine extrem belastende Beziehung zu seinem Vater Heinrich. Heinrich May war ein gewalttätiger und unberechenbarer Mann, der seinen Sohn oft schlug und misshandelte. Diese Misshandlungen prägten Karl May stark und führten später zu psychischen Problemen und Schwierigkeiten im Erwachsenenalter. Nach dem Tod seines Vaters beschrieb Karl May ein Gefühl der Befreiung von der Qual, die sein Vater ihm zugefügt hatte.
Marlon Brando und Marlon Brando Sr.
Der berühmte Schauspieler Marlon Brando hatte eine problematische Beziehung zu seinem Vater, Marlon Brando Sr. Der ältere Brando war emotional distanziert, kritisierte seinen Sohn ständig und war sowohl physisch als auch verbal missbräuchlich. Marlon Brando sprach oft über die negativen Auswirkungen, die die Beziehung zu seinem Vater auf sein Leben und seine Karriere hatte. Nach dem Tod seines Vaters äußerte Brando eine gewisse Erleichterung, da der Tod das Ende einer toxischen und belastenden Beziehung bedeutete.
Elfriede Jelinek und Olga Jelinek
Elfriede Jelinek, die österreichische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin, hatte eine komplexe und ambivalente Beziehung zu ihrer Mutter, Olga Jelinek. Diese Beziehung prägte einen großen Teil von Jelineks Werk und Persönlichkeit.
Als ihre Mutter 2000 starb, zeigte Elfriede Jelinek eine Mischung aus Erleichterung und Schuldgefühl. Die Beziehung zu ihrer Mutter war von großer Abhängigkeit und Kontrolle geprägt, was in Jelinek starke ambivalente Gefühle hervorrief. Ihre Mutter war eine dominante Figur in ihrem Leben, die große Erwartungen an ihre Tochter stellte und diese emotional manipulierte. Gleichzeitig fühlte sich Jelinek aber auch verantwortlich für ihre Mutter, besonders nachdem diese erkrankte und pflegebedürftig wurde.
Der Tod ihrer Mutter bedeutete für Elfriede Jelinek eine Befreiung von der jahrzehntelangen Belastung durch diese Beziehung. Sie sprach in Interviews darüber, dass sie endlich das Gefühl habe, atmen zu können, nachdem die Mutter gestorben sei. Diese Erleichterung war jedoch von starken Schuldgefühlen begleitet, da Jelinek lange Zeit das Gefühl hatte, dass sie ihrer Mutter nicht genug geholfen hatte und die schwierige Beziehung in ihren letzten Jahren nicht auflösen konnte.
Diese komplexen Gefühle spiegeln sich auch in Jelineks literarischem Werk wider, insbesondere in den Themen Macht, Abhängigkeit und der problematischen Mutter-Tochter-Beziehung, die in mehreren ihrer Werke zentral sind.
Zusammenfassung
Diese Beispiele verdeutlichen, wie belastende familiäre Beziehungen und insbesondere die Beziehung zu einem autoritären oder missbräuchlichen Vater zu Gefühlen der Erleichterung nach dessen Tod führen können. Diese Emotionen sind oft das Resultat von jahrelangem emotionalen Druck, Missbrauch oder unerfüllten Erwartungen, die die Kinder stark belastet haben.
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