Aspekte der Symmetrie und deren Dekonstruktion

Einleitung

In diesem Betrag geht es um die Betonung der Symmetrie in der klassischen Ästhetik und um deren Dekonstruktion in der modernen Kunst. Es werden Beispiele aus der Kunstgeschichte seit der griechischen Antike bis hin zum Kubismus gegeben. Weiterhin wird auch auf die Verwendung der Symmetrie in der Musikkomposition bei Bach und Wagner hingewiesen und auf die Dekonstruktion von Symmetrie in der Musik durch modernere Komponisten.

Die Bedeutung der Symmetrie in der Kunstgeschichte

Die Symmetrie spielt in der Kunstgeschichte eine zentrale Rolle, da sie oft als Ausdruck von Harmonie, Ordnung und Schönheit wahrgenommen wird. Sie repräsentiert Balance und Proportion, die seit der Antike als Ideal gelten, wie etwa in der griechischen Skulptur, der Architektur oder der Renaissance-Malerei. Gleichzeitig wird die bewusste Dekonstruktion der Symmetrie als ein Weg verstanden, Dynamik, Spannung und Individualität in der Kunst zu schaffen.

Jesus als Verkünder moderner Kunst
Jesus als Verkünder moderner Kunst

Symmetrie in der Kunst

Klassische Ästhetik: In der Antike galt Symmetrie als Inbegriff von Perfektion. Werke wie der Parthenon oder die Skulpturen von Polyklet folgen präzisen mathematischen Proportionen. Andererseits löst sich Polyklet ganz bewusst von der starren aufrechten symmetrischen Haltung, bei der das Körpergewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilt wird. Gerade die Einführung des Contraposts ermöglicht Assymmetrie in der Figur und damit die Illusion von Bewegung.

In der Renaissance griffen Künstler wie Leonardo da Vinci auf das Konzept der Symmetrie zurück, um die menschliche Figur und ihre Proportionen ideal darzustellen (z. B. Vitruvianischer Mensch).

Symbolik der Symmetrie: Symmetrie vermittelt Stabilität und unbewegliche Vollkommenheit. In religiöser Kunst wurde sie genutzt, um die Transzendenz und Göttlichkeit zu symbolisieren, z. B. in gotischen Kathedralen oder in Mandalas.

Natur und Symmetrie: Künstler ließen sich häufig von der Natur inspirieren, wo Symmetrie in Formen wie Blüten, Kristallen oder Tierkörpern vorkommt. Diese Muster fanden Eingang in dekorative und bildende Kunst.

Dürer Selbstbildnis im Pelzrock
Dürer Selbstbildnis im Pelzrock (1500)

Dekonstruktion der Symmetrie

Die bewusste Auflösung von Symmetrie ist ein Stilmittel, das Künstler einsetzen, um neue Perspektiven, Emotionen oder Konzepte zu vermitteln. Es kann als Reaktion auf die starren Ideale klassischer Kunst betrachtet werden.

Romantik und Moderne: Künstler der Romantik begannen, die perfekte Symmetrie zugunsten von Individualität und Ausdruck zu verlassen. Eugène Delacroix oder Caspar David Friedrich bevorzugten asymmetrische Kompositionen, die Emotion und Unruhe erzeugten.

In der Moderne brachen Künstler wie Pablo Picasso (Kubismus) oder Wassily Kandinsky (Abstraktion) radikal mit symmetrischen Prinzipien, um neue visuelle Sprachen zu entwickeln.

Dynamik und Brüche: Asymmetrie kann Bewegung und Dynamik suggerieren. In der Architektur setzte Frank Gehry gezielt auf asymmetrische Formen, um organische und fließende Strukturen zu schaffen.

Im Expressionismus und Surrealismus wurden bewusst chaotische oder asymmetrische Elemente eingefügt, um das Unbewusste oder das Unkontrollierbare darzustellen.

Postmoderne Perspektiven: In der Postmoderne wird Symmetrie oft als Symbol für starre, traditionelle Werte betrachtet, die es zu hinterfragen gilt. Künstler wie Louise Bourgeois oder Cindy Sherman nutzten asymmetrische und fragmentierte Formen, um persönliche oder gesellschaftliche Themen zu reflektieren.

Picasso Weinende Frau
Picasso Weinende Frau (1937)

Zusammenfassung zur Symmetrie und deren Dekonstruktion in der Kunst

Die Bedeutung der Symmetrie in der Kunst reicht von einer bewussten Suche nach Perfektion bis hin zu ihrer gezielten Auflösung als Ausdruck von Freiheit, Individualität und Provokation. Symmetrie und ihre Dekonstruktion sind letztlich zwei Pole, die die ständige Weiterentwicklung der künstlerischen Ausdrucksformen vorantreiben.

Die Überwindung der Symmetrie im Kubismus

Der Kubismus stellt eine radikale Dekonstruktion von Symmetrie und traditionellen Darstellungsmethoden in der Kunst dar. Dies betrifft besonders Gesichter und Figuren, die im Kubismus häufig aus geometrischen Formen, Fragmentierungen und mehreren Perspektiven zusammengesetzt werden. Diese Darstellungsweise bricht mit der klassischen Symmetrie und schafft eine neue Form visueller Wahrnehmung, die sowohl psychologisch als auch geistig tiefgehende Bedeutungen trägt.

Dekonstruktion von Symmetrie im Kubismus

Fragmentierung und Mehransichtigkeit: Kubistische Künstler wie Pablo Picasso und Georges Braque zerlegten Gesichter in ihre geometrischen Bestandteile und zeigten sie aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig. Diese „Zerschlagung“ der Symmetrie erlaubt es, die Komplexität und Vielschichtigkeit der Realität darzustellen, anstatt eine idealisierte, harmonische Version.

Ein Gesicht ist nicht mehr einheitlich oder frontal dargestellt, sondern wird in Facetten zerteilt, die den Betrachter auffordern, die Form gedanklich wieder zusammenzusetzen. Diese Kunst provoziert das abstrakte Denken, um wieder zu einer authentischen Anschauung zu kommen.

Auflösung der klassischen Schönheit: Während Symmetrie traditionell mit Schönheit und Harmonie assoziiert wird, lehnt der Kubismus diese Konventionen ab. Ein kubistisches Gesicht ist oft „unvollständig“ oder verzerrt, wodurch es sich bewusst vom Ideal des Schönen abgrenzt und eher das Fragmentarische und Prozesshafte betont.

Kritik an der Illusion von Realität: Der Kubismus zielt darauf ab, die Idee der „mimetischen“ Kunst – also der naturalistischen Nachahmung – zu zerstören. Gesichter werden nicht mehr als naturgetreue Abbilder gezeigt, sondern als Konstruktionen, die subjektiv und interpretativ sind. Dies dekonstruiert auch die symmetrische Darstellung, die lange Zeit als „natürlicher“ empfunden wurde.

Psychologischer Gehalt der kubistischen Gesichter

Mehrdimensionale Wahrnehmung: Psychologisch regt der Kubismus dazu an, die Realität aus verschiedenen Blickwinkeln wahrzunehmen. Ein Gesicht im Kubismus lädt den Betrachter ein, die Vielschichtigkeit von Identität, Emotion und Wahrnehmung zu erkennen. Dies kann mit der menschlichen Erfahrung verglichen werden, die selten linear oder eindeutig ist.

Das Unbewusste und Fragmentierung: Die dekonstruierten Gesichter spiegeln das Fragmentierte der modernen Psyche wider, insbesondere in einer Zeit des Umbruchs (z. B. vor dem Ersten Weltkrieg). Sie wirken manchmal wie Puzzleteile, die das Unbewusste oder Verborgene repräsentieren, das in der klassischen Kunst unsichtbar blieb.

Emotionale Distanz und Intellektualität: Kubistische Porträts wirken oft emotionslos oder kühl, was eine bewusste Entscheidung ist, um die Kunst zu intellektualisieren. Der Fokus liegt weniger auf der emotionalen Identifikation, sondern mehr auf der Analyse und Reflexion über Form, Perspektive und Wahrnehmung.

Geistiger Gehalt der Dekonstruktion

Philosophische Reflexion: Der Kubismus bringt eine philosophische Haltung zum Ausdruck, die von Relativität und Subjektivität geprägt ist. Gesichter, die aus verschiedenen Perspektiven dargestellt werden, veranschaulichen die Idee, dass es keine absolute Wahrheit gibt – eine Denkweise, die auch von Wissenschaft und Philosophie des frühen 20. Jahrhunderts (z. B. Einstein, Bergson) beeinflusst wurde.

Moderne Identität: Die Dekonstruktion der Gesichter symbolisiert auch die Zersplitterung des modernen Selbst. In einer zunehmend komplexen Welt erscheint die Identität nicht mehr als einheitlich oder stabil, sondern als dynamisch, vielschichtig und oft widersprüchlich.

Aufforderung zur aktiven Teilnahme: Der Betrachter wird gezwungen, die fragmentierten Gesichter selbst neu zusammenzusetzen, was eine geistige Aktivität und ein dialogisches Verhältnis zwischen Kunstwerk und Betrachter erfordert. Diese aktive Rezeption ist ein wichtiger Bestandteil des kubistischen Gehalts.

Zusammenfassung zur Dekonstruktion der Symmetrie im Kubismus

Der Kubismus dekonstruiert symmetrische Gesichter, um die starren Ideale traditioneller Kunst zu überwinden und eine komplexere, mehrdeutige Realität darzustellen. Psychologisch spiegelt dies die Zersplitterung und Relativität moderner Identität wider, während geistig die Philosophie der Subjektivität und Relativität in den Vordergrund tritt. Die Dekonstruktion wird somit zur Einladung, die Welt und das Selbst neu zu denken und zu hinterfragen.

Symmetrie und deren Dekonstruktion in der Musikkomposition

Die Symmetrie spielt auch in der Musik eine bedeutende Rolle, wobei sie oft als Ausdruck von Harmonie, Ordnung und intellektueller Meisterschaft wahrgenommen wird. Werke wie Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge oder Richard Wagners Vorspiel zu Lohengrin zeigen, wie Symmetrie als kompositorisches Prinzip genutzt wurde. Gleichzeitig gibt es auch in der Musik eine Tendenz zur bewussten Dekonstruktion dieser Symmetrie, um emotionale Tiefe, Spannung und Innovation zu erzeugen.

Symmetrie in der Musik

Bachs Kunst der Fuge – Strukturelle Perfektion: Bach nutzte Symmetrie in der Form von Fugen und Kanons, wo musikalische Themen auf komplexe Weise wiederholt, gespiegelt oder invertiert werden. Die Kunst der Fuge zeigt eine fast mathematische Anwendung von Symmetrie, die für eine zeitlose Ordnung und Vollkommenheit steht. Die Symmetrie in Bachs Musik schafft nicht nur ästhetische Balance, sondern vermittelt auch seinen Glauben an eine feudale-göttliche, universelle Ordnung. Seine Kompositionen wirken dadurch wie akustische Architektur.

Wagners Lohengrin-Vorspiel – Klangliche Balance: Das Vorspiel zu Lohengrin basiert auf einem symmetrischen Aufbau, bei dem sich leise, ätherische Streicherklänge schrittweise steigern und am Ende wieder in dieselbe Ruhe zurückkehren. Dieses Kreismodell vermittelt eine fast mystische, zeitlose Qualität. Wagner verwendet Symmetrie, um eine spirituelle Sphäre zu erschaffen, die mit der Thematik des Grals und der heiligen Mission des Ritters Lohengrin korrespondiert.

Symbolik der Symmetrie in der Musik: Symmetrische Kompositionen betonen oft Ordnung, Ewigkeit und das Gleichgewicht von Spannungen und Auflösungen. Dies spiegelt sich in musikalischen Formen wie der Sonatensatzform, wo Exposition, Durchführung und Reprise eine ausgewogene Gesamtstruktur bilden. Die Synkope bietet hier aber schon früh eine Abweichung von zu starrer Metrik, weshalb sie in manchen gesellschaftspolitischen Kontexten als Bedrohung empfunden wurde.

Dekonstruktion von Symmetrie in der Musik

Emotionale Freiheit und Asymmetrie: Im Gegensatz zur symmetrischen Perfektion von Bach und Wagner experimentierten Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Gustav Mahler oder später Igor Strawinsky bewusst mit Asymmetrie.

Beethoven etwa durchbricht in seinen späten Streichquartetten oft traditionelle symmetrische Formen, um Emotion und Intensität Raum zu geben. Mahler streckt und verzerrt symmetrische Formen, um menschliche Dramatik und existenzielle Fragen auszudrücken.

Atonalität und Abkehr von Symmetrie: Arnold Schönberg und die Zwölftontechnik brechen mit traditionellen Symmetrien, indem sie die Tonalität auflösen und neue Formen der Balance suchen. Hier wird die traditionelle Vorstellung von musikalischer „Ordnung“ dezentriert. Diese Dekonstruktion spiegelt den Bruch mit der klassischen Vorstellung von Harmonie und die Erkundung moderner, oft chaotischer Weltbilder wider.

Experimentelle Ansätze: John Cage oder György Ligeti experimentieren mit musikalischer Symmetrie, indem sie aleatorische Elemente (Zufall) oder Mikrostrukturen einführen. Hier wird die Idee von Symmetrie hinterfragt und aufgelöst, um den Fokus auf Klangfarben, Texturen und neue Hörerfahrungen zu legen.

Psychologischer und geistiger Gehalt

Psychologischer Gehalt: Symmetrische Musik wirkt oft beruhigend und stabilisierend, da sie das Bedürfnis nach Ordnung und Vorhersehbarkeit anspricht. Sie vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und logischer Konsequenz. Die Dekonstruktion von Symmetrie hingegen kann Spannung, Unbehagen oder Neugier wecken, indem sie die Zuhörer herausfordert, ihre Erwartungen und Wahrnehmungen neu zu ordnen.

Geistiger Gehalt: Symmetrie in der Musik, wie bei Bach, drückt häufig ein metaphysisches Konzept von Ordnung und Vollkommenheit aus, das in Religion oder Philosophie verwurzelt ist. Die bewusste Dekonstruktion dieser Ordnung reflektiert hingegen moderne Ideen wie Relativität, Subjektivität oder die Fragmentierung der Realität. Sie lädt dazu ein, traditionelle Wahrheiten zu hinterfragen und neue Perspektiven zu suchen.

Zusammenfassung zu Symmetrie in der Musik

Die Symmetrie in der Musik dient als Symbol für Ordnung, Harmonie und Ewigkeit. Sie findet Ausdruck in der strukturellen Perfektion von Werken wie Bachs Kunst der Fuge oder Wagners Lohengrin-Vorspiel. Die Dekonstruktion dieser Symmetrie, wie in der atonalen Musik oder bei experimentellen Komponisten, bricht mit diesen Idealen und erkundet neue Möglichkeiten des Ausdrucks. Beide Ansätze – Symmetrie und Asymmetrie – stehen in einem kreativen Spannungsverhältnis, das die Entwicklung der Musik maßgeblich geprägt hat.

Neurowissenschaftliches zum Thema Symmetrie

Die Neurowissenschaften haben einige Erkenntnisse darüber gewonnen, warum Menschen sensibel auf Symmetrie und Störungen der Symmetrie reagieren. Diese Sensibilität hat sowohl evolutionäre, neurologische als auch psychologische Grundlagen. Symmetrie ist tief in unserer Wahrnehmung und Bewertung von Objekten, Gesichtern und Mustern verankert, da sie mit grundlegenden Aspekten des Überlebens, der sozialen Interaktion und der ästhetischen Präferenzen verknüpft ist.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse

Symmetrie gilt als Hinweis auf Gesundheit und Fitness: Symmetrie wird evolutionär mit Gesundheit und genetischer Fitness assoziiert. Studien zeigen, dass Menschen symmetrische Gesichter als attraktiver empfinden, weil sie Anzeichen für eine stabile Entwicklung und ein starkes Immunsystem sind. Diese Präferenz für Symmetrie wird in frühen Entwicklungsstadien sichtbar. Bereits Säuglinge zeigen eine längere Blickdauer auf symmetrische Gesichter.

Verarbeitung von Symmetrie im Gehirn: Symmetrie wird vor allem in visuellen Arealen des Gehirns verarbeitet, darunter der primäre visuelle Kortex (V1) und höhere visuelle Areale wie der medial-prefrontale Kortex (mPFC) und der posterior parietale Kortex. Studien mit bildgebenden Verfahren (fMRT) zeigen eine stärkere Aktivierung dieser Areale, wenn Menschen symmetrische Muster betrachten. Besonders der mPFC wird mit ästhetischer Bewertung und Entscheidungsprozessen in Verbindung gebracht.

Effizienz der Wahrnehmung: Symmetrische Muster sind für das Gehirn leichter zu verarbeiten, da sie einfacher zu erkennen und vorherzusagen sind. Das Konzept der „fluency“ (Leichtigkeit der Verarbeitung) besagt, dass das Gehirn symmetrische Informationen schneller und mit weniger Aufwand verarbeitet, was zu positiven Gefühlen führt. Störungen der Symmetrie fordern das Gehirn stärker heraus, da sie unerwartet sind und mehr kognitive Ressourcen erfordern, um sie zu entschlüsseln.

Fehlermeldesystem des Gehirns: Das Gehirn verfügt über Mechanismen zur Erkennung von Anomalien und Abweichungen, die im anterioren cingulären Kortex (ACC) lokalisiert sind. Wenn eine symmetrische Erwartung verletzt wird, signalisiert der ACC eine „Fehlermeldung“, was mit einem Gefühl der Irritation oder Unzufriedenheit einhergehen kann. Diese Funktion ist evolutionär bedeutsam, da Störungen oft auf Gefahren oder Anomalien hinweisen könnten (z. B. ein unregelmäßiges Muster in der Natur, das auf einen Raubtier tarnt).

Psychologische Implikationen

Ästhetische Präferenzen: Symmetrie wird oft mit Schönheit, Ordnung und Harmonie assoziiert. Wenn Symmetrie verletzt wird, löst dies ein Gefühl von Unruhe oder Unvollkommenheit aus, da das Gehirn instinktiv nach Ordnung strebt. Künstler nutzen diese Sensibilität gezielt, um emotionale oder kognitive Reaktionen hervorzurufen. In der Kunst und Architektur werden subtile Asymmetrien manchmal eingebaut, um Spannung oder Dynamik zu erzeugen.

Bedrohung der Erwartung: Menschen sind kognitiv darauf trainiert, Regelmäßigkeiten und Muster zu erkennen. Störungen der Symmetrie widersprechen diesen Erwartungen, was zu einer erhöhten Aufmerksamkeit führen kann. Dieses Phänomen wird als „cognitive dissonance“ bezeichnet, bei der Unstimmigkeiten Unbehagen auslösen.

Kulturelle Einflüsse: Während die Wahrnehmung von Symmetrie universal ist, variieren die Toleranzen für asymmetrische Elemente kulturell. In einigen Kulturen, wie in der japanischen Ästhetik, wird kontrollierte Asymmetrie (z. B. im Wabi-Sabi) als schön empfunden, weil sie Natürlichkeit und Vergänglichkeit symbolisiert.

Praktische Anwendungen

Design und Architektur: Symmetrie wird in Produktdesign, Architektur und Werbung gezielt eingesetzt, um positive Assoziationen zu erzeugen. Gleichzeitig wird leichte Asymmetrie genutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen oder künstlerische Spannung zu schaffen.

Psychotherapie und Wahrnehmungsstörungen: In der klinischen Psychologie und Neurologie wird die Sensibilität für Symmetrie genutzt, um Wahrnehmungsstörungen zu diagnostizieren. Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder hochfunktionalem Autismus zeigen oft atypische Reaktionen auf symmetrische Reize.

Unterschiedliche Reaktionen auf Symmetrie bei Schizophrenie und hochfunktionalem Autismus

Die Wahrnehmung von Symmetrie bei Patienten mit Erkrankungen wie Schizophrenie und Autismus unterscheidet sich oft von Menschen ohne diese Merkmale. Diese Unterschiede bieten Einblicke in die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen und kognitiven Verarbeitungsprozesse der betroffenen Personen. Hier sind detaillierte Aspekte dazu:

Schizophrenie und Symmetriewahrnehmung

Verminderte Präferenz für Symmetrie: Studien zeigen, dass Patienten mit Schizophrenie oft eine geringere Präferenz für symmetrische Gesichter oder Muster haben. Dies könnte auf eine abweichende Verarbeitung ästhetischer Reize im Gehirn hinweisen. Eine gestörte Funktion des präfrontalen Kortex und des visuellen Systems wird als Ursache vermutet, da diese Areale für die ästhetische Bewertung und die Mustererkennung zentral sind.

Schwächere Aktivierung des visuellen Kortex: Bildgebende Verfahren wie fMRT zeigen bei Patienten mit Schizophrenie oft eine geringere Aktivierung des visuellen Kortex (insbesondere V1 und angrenzende Areale) bei der Betrachtung symmetrischer Muster. Dies deutet darauf hin, dass die Wahrnehmung von Symmetrie weniger effizient verarbeitet wird.

Beeinträchtigte Gestaltwahrnehmung: Schizophrenie-Patienten haben Schwierigkeiten, zusammenhängende Muster zu erkennen (Gestaltprinzipien). Symmetrie, die auf der Integration von Einzelheiten in eine Gesamtstruktur basiert, könnte deshalb als weniger bedeutsam wahrgenommen werden.

hochfunktionaler Autismus und Symmetriewahrnehmung

Überempfindlichkeit für symmetrische Reize: Im Gegensatz zu Schizophrenie zeigen Menschen mit Autismus häufig eine übermäßige Sensibilität für symmetrische Muster. Dies könnte mit der verstärkten Wahrnehmung von Details (Detailfokussierung) zusammenhängen, die typisch für Autismus ist. Diese Präferenz kann sich in einer Faszination für geometrische Formen, Spiegelungen oder symmetrische Objekte äußern.

Verstärkte Aktivierung visueller Areale: Neurowissenschaftliche Studien zeigen bei autistischen Personen eine stärkere Aktivierung des visuellen Kortex, insbesondere in Bereichen, die für die Analyse von Details zuständig sind. Symmetrische Muster könnten deshalb besonders anziehend wirken.

Schwächen in der sozialen Symmetriewahrnehmung: Während autistische Personen oft eine Präferenz für geometrische Symmetrie haben, kann die Wahrnehmung von Symmetrie in sozialen Kontexten, wie bei Gesichtern, eingeschränkt sein. Dies könnte die Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion erklären, da Gesichter eine subtile Mischung aus Symmetrie und Asymmetrie enthalten, die für Emotionserkennung wichtig ist.

Relevanz repetitiver Muster: Die Vorliebe für Symmetrie bei autistischen Menschen könnte auch mit ihrem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit und Struktur zusammenhängen. Symmetrie bietet eine Form von Ordnung, die beruhigend wirken kann.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

AspektSchizophreniehochfunktionaler Autismus
SymmetriepräferenzGering oder unbedeutendOft übermäßig stark
Verarbeitung im GehirnGeringere Aktivierung des visuellen KortexStärkere Aktivierung des visuellen Kortex
Ästhetische WahrnehmungGestörte MusterintegrationFokus auf Detail- und Mustererkennung
Soziale ReizeSchwierigkeiten bei der Gesichtsverarbeitung, Neigung zur GestaltdesintegrationBevorzugung einfacher symmetrischer Formen, aber Schwierigkeiten mit Gesichtsasymmetrie (Mimik)

Implikationen für Diagnostik und Therapie

Diagnostische Ansätze: Tests zur Wahrnehmung von Symmetrie könnten als diagnostisches Instrument genutzt werden, um kognitive oder neuronale Auffälligkeiten bei Schizophrenie und Autismus zu identifizieren.

Therapeutische Interventionen: Bei Schizophrenie könnten Übungen zur Förderung der Gestaltwahrnehmung und ästhetischen Sensibilität helfen, neuronale Defizite zu kompensieren. Bei Autismus könnte Symmetrie in Therapiepläne integriert werden, um beruhigende und strukturierende Elemente einzuführen.

Die unterschiedlichen Reaktionen auf Symmetrie beim Zeichnen von Portraits bei Patienten mit Schizophrenie und Autismus verdeutlichen, wie eng die Wahrnehmung von Mustern mit spezifischen neuronalen und kognitiven Prozessen verknüpft ist. Diese Sensibilitäten oder Defizite bieten wertvolle Einblicke in die Funktion des Gehirns und könnten helfen, die Therapie und Diagnostik dieser Erkrankungen weiter zu verbessern. Während bei Schizophrenie eher eine geringere Sensibilität für Aspekte der Symmetrie erwartbar ist, kann bei Menschen mit Autismus eher eine Neigung zu starrer amimischer Überbetonung der Symmetrie festgestellt werden.

Zusammenfassung zum Abschnitt über neurowissenschaftliche Erkenntnissen

Die menschliche Sensibilität für Symmetrie und ihre Störungen ist tief in der Evolution und der Funktionsweise des Gehirns verwurzelt. Symmetrie dient als Orientierungshilfe, als Zeichen für Gesundheit und als ästhetisches Ideal. Störungen der Symmetrie erregen Aufmerksamkeit, da sie unser kognitives System herausfordern und oft mit potenziellen Gefahren insbesondere dynamischen Bewegungen assoziiert sind. Dieses Wechselspiel zwischen Symmetrie und Asymmetrie spiegelt sich in vielen Bereichen des Lebens wider, von Kunst und Design bis hin zu sozialen und psychologischen Prozessen.

Zusammenfassung

Symmetrie und Asymmetrie stehen in einem dynamischen, d.h. spannungsvollen Verhältnis zueinander. Während Symmetrie mit gesund, schön, harmonisch und stabil assoziiert wird, steht Asymmetrie für alle Ereignishorizonte, die davon abweichen: Menschen in Grenzsituationen, in Verzweiflung, Zustand der Unordnung und Neuorientierung aber auch im dynamischen Prozess einer Bewegung und damit auf der Suche nach einer neuen Statik, einer neuen Harmonie. Weil Lebensprozesse von einem Wechselverhältnis von Harmonie und Brüchen, Zufriedenheit und Unzufriedenheit, Neuorientierungen und dynamischen Prozessen geprägt ist, kann dies in der Kunst auch nur in einem Wechselspiel von Symmetrie und Asymmetrie zur Anschauung gebracht werden.

Eine frühe Synthese beider Aspekte findet seinen Ausdruck in Polyklets Erfindung des Contraposts, dem in der Musik die Verwendung der Synkope entspricht. Weltanschauungen, die zur starren Fixierungen auf vermeintliche Wahrheiten tendieren, stehen sowohl mit dem Contrapost als auch mit synkopierter Musik auf Kriegsfuß. Die Überbetonung der Symmetrie stellt das Prinzip der Bewegung im Spannungsverhältnis zur Stabilität infrage und versucht, eine Starrheit zu vermitteln, die organischen Lebensprozessen gegenüber feindlich und verständnislos gegenübersteht.

Weiterlesen: Psychotherapiepraxis in Berlin, Wolfgang Albrecht

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