Neurobiologische Modelle der Kreativität befassen sich mit den Gehirnprozessen und Gehirnstrukturen, die an kreativen Denkweisen und Handlungsweisen beteiligt sind. Diese Modelle integrieren Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, Psychologie und Kognitionsforschung, um zu verstehen, wie kreative Ideen und Lösungen entstehen. Dies sind einige der bekanntesten neurobiologischen Modelle der Kreativität:
1. Default Mode Network (DMN)
Das Default Mode Network ist ein Netzwerk von Gehirnregionen, das aktiv ist, wenn das Gehirn im Ruhezustand ist und nicht auf äußere Aufgaben fokussiert ist. Es wird angenommen, dass das DMN eine wichtige Rolle bei der Generierung von spontanen Gedanken und Assoziationen spielt, die für kreative Prozesse entscheidend sind. Zu den Hauptkomponenten des DMN gehören der präfrontale Kortex, der mediale temporale Lappen und der posterior cinguläre Kortex. Freudds Methode der Freien Assoziation knüpft an die Funktionalität dieses Systems an.
2. Executive Control Network (ECN)
Das Executive Control Network ist für die Steuerung und Regulation von Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis verantwortlich. Es ermöglicht die zielgerichtete Verarbeitung von Informationen und die Überprüfung und Auswahl kreativer Ideen. Hauptkomponenten des ECN sind der dorsolaterale präfrontale Kortex und der laterale parietale Kortex.
3. Salience Network (SN)
Das Salience Network hilft dem Gehirn, relevante Stimuli aus der Umgebung zu erkennen und darauf zu reagieren. Es spielt eine Rolle bei der Übergabe der Kontrolle zwischen dem Default Mode Network und dem Executive Control Network und ist somit für das flexible Wechseln zwischen spontanen und kontrollierten Denkprozessen wichtig. Hauptkomponenten des SN sind die anteriore Insel und der anteriore cinguläre Kortex.
4. Dual-Process Theorie
Die Dual-Process Theorie der Kreativität postuliert, dass kreative Prozesse sowohl auf konvergentes als auch divergentes Denken angewiesen sind. Konvergentes Denken beinhaltet die Nutzung von logischen und analytischen Fähigkeiten zur Lösung von Problemen mit einer einzigen richtigen Antwort. Divergentes Denken ist gekennzeichnet durch die Erzeugung vieler möglicher Lösungen zu einem Problem. Neurobiologisch sind diese Prozesse mit unterschiedlichen, aber überlappenden Netzwerken im Gehirn verbunden.
5. Neuronale Synchronisation
Neuronale Synchronisation bezieht sich auf die koordinierte Aktivität von Neuronen über verschiedene Gehirnregionen hinweg. Kreativität wird oft mit einer erhöhten Synchronisation zwischen weit voneinander entfernten Hirnregionen in Verbindung gebracht, was eine effiziente Kommunikation und Integration von Informationen ermöglicht. Gamma-Wellen (30-100 Hz) werden oft mit solchen synchronisierten Aktivitäten und kreativen Einsichten in Verbindung gebracht.
6. Hemisphärische Spezialisierung
Es gibt Hinweise darauf, dass die beiden Gehirnhälften (Hemisphären) unterschiedliche Beiträge zur Kreativität leisten. Die linke Hemisphäre ist typischerweise mit logischen und analytischen Fähigkeiten assoziiert, während die rechte Hemisphäre mit räumlichen und visuellen Fähigkeiten sowie der Verarbeitung von neuen und ungewöhnlichen Informationen in Verbindung gebracht wird. Kreative Prozesse scheinen eine ausgeglichene Aktivierung und Kommunikation zwischen beiden Hemisphären zu erfordern.
Zusammenfassung der gängigen Modelle
Die neurobiologischen Modelle der Kreativität zeigen, dass kreative Prozesse auf komplexen Interaktionen zwischen verschiedenen Gehirnregionen und Netzwerken beruhen. Kreativität ist somit nicht das Ergebnis einer einzelnen Gehirnregion, sondern ein emergentes Phänomen, das aus der dynamischen Zusammenarbeit des gesamten Gehirns resultiert. Diese Modelle tragen dazu bei, ein tieferes Verständnis der neurobiologischen Grundlagen kreativer Fähigkeiten zu entwickeln und können möglicherweise zur Förderung von Kreativität in verschiedenen Kontexten beitragen.
Neue Studie zum Default Mode Network (DMN)
Wissenschaftler haben jetzt genauer beschreiben können, wie das Default Mode Network (DMN) des Gehirns mit anderen Regionen des Gehirns zusammenarbeitet, um kreatives Denken hervorzubringen. Mithilfe moderner bildgebender Verfahren verfolgten sie die Gehirnaktivität während kreativer Aufgaben in Echtzeit. Diese Studie zeigt, dass das DMN kreative Ideen initiiert, die dann von anderen Gehirnregionen ausgewertet werden.
Eine typische Situation: Ist Ihnen die Lösung für ein schwieriges Problem schon einmal plötzlich eingefallen, als Sie gerade über etwas ganz anderes nachdachten? Kreatives Denken ist ein Markenzeichen der Menschheit, aber es ist eine flüchtige, fast paradoxe Fähigkeit, die unerwartet zuschlägt, wenn man nicht danach sucht. Die neurologische Quelle der Kreativität – was in unserem Gehirn vorgeht, wenn wir über den Tellerrand hinausblicken – ist ebenso schwer zu fassen.
Doch nun hat ein Forschungsteam mithilfe einer präzisen Methode der Gehirnbildgebung enthüllt, wie verschiedene Teile des Gehirns zusammenarbeiten, um kreatives Denken hervorzubringen.Es gibt Hinweise darauf, dass Kreativität eine eigenständige Gehirnfunktion ist. Lokale Hirnschäden durch Schlaganfälle können zu Veränderungen der kreativen Fähigkeiten führen – sowohl positiv als auch negativ. Diese Entdeckung legt nahe, dass es möglich ist, die neurologische Grundlage der Kreativität einzugrenzen. Es wird vermutet, dass kreatives Denken in hohem Maße auf Teilen des Gehirns beruht, die auch bei der Meditation, beim Tagträumen und anderen nach innen gerichteten Denkformen aktiviert werden, wie dies auch bei der Freien Assoziation in der Psychoanalyse der Fall ist.
Dieses Netzwerk aus Gehirnzellen wird als Default Mode Network (DMN) bezeichnet und heißt so, weil es mit den „Standard“-Denkmustern in Verbindung steht, die auftreten, wenn keine bestimmten geistigen Aufgaben ausgeführt werden. „Im Gegensatz zu den meisten Funktionen unseres Gehirns ist es nicht zielgerichtet“. „Es ist ein Netzwerk, das im Grunde ständig aktiv ist und unseren spontanen Bewusstseinsstrom aufrechterhält.“Das DMN ist über viele verstreute Gehirnregionen verteilt, was es schwieriger macht, seine Aktivität in Echtzeit zu verfolgen. Die Forscher mussten eine fortschrittliche Methode zur Bildgebung der Gehirnaktivität verwenden, um zu verstehen, was das Netzwerk während des kreativen Denkens von Moment zu Moment tat.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass bei einer kreativen Denkaufgabe, bei der die Teilnehmer neue Verwendungsmöglichkeiten für einen Alltagsgegenstand wie einen Stuhl oder eine Tasse auflisten sollten, das DMN zuerst aktiv wurde. Anschließend synchronisierte sich seine Aktivität mit anderen Hirnregionen, darunter auch solche, die an komplexen Problemlösungen und Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Die Wissenschaftlerin Shofty glaubt, dass dies bedeutet, dass kreative Ideen im DMN entstehen, bevor sie von anderen Regionen ausgewertet werden.
Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Teile des Netzwerks speziell für kreatives Denken erforderlich sind. Als die Forscher die Aktivität bestimmter Bereiche des DMN mithilfe der Elektroden vorübergehend dämpften, überlegten sich die Teilnehmer, welche Verwendungsmöglichkeiten die weniger kreativen Dinge boten. Ihre anderen Gehirnfunktionen, wie das Abschweifen der Gedanken, blieben völlig normal. „Wir sind über korrelative Beweise hinausgegangen, indem wir direkte Hirnstimulation eingesetzt haben“, sagt Shofty. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die kausale Rolle des DMN beim kreativen Denken.“
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